Kompromissbereiter Neinsager

Stefan Scholl, Moskau
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Diplomatie Anatoli Antonow (62) hat keine Angst vor undiplomatischen Tönen. Ob er den USA vorwirft, überall dort, wohin sie Friedenstruppen entsendeten, blieben Militärbasen zurück. Oder der Nato, sie habe die Krise in der Ukraine als Vorwand genutzt, um an die russische Grenze vorzudringen.

Antonow wird Russlands neuer Botschafter in den USA. Ein Berufsdiplomat, der in den letzten Jahren aber vor allem als Militär Schlagzeilen machte. Von 2011 bis 2016 war er stellvertretender Verteidigungsminister. Und als 2014 der Krieg in der Ukraine begann, wurde er zu einem der lautstärksten russischen Propagandasprecher. Antonow, verheiratet, eine Tochter, dementierte die Teilnahme russischer Truppen an den Kämpfen im umkämpften Donbass ebenso vehement wie die Möglichkeit, dass es ein russisches Raketensystem war, das 2014 die malaysische Boeing über dem Donbass abgeschossen hatte.

Inzwischen Vizeaussenminister, erntete Antonow dafür mehrere hohe Orden, landete aber auch auf den Sanktionslisten Europas und Kanadas. Ein Neinsager in der Tradition des Sowjetaussenministers Andrei Gromyko, meinte ein russischer Diplomat gegenüber der BBC. Eigentlich passend zum ziemlich ruinierten Verhältnis zwischen Russland und den USA.

Aber Antonow gilt keineswegs allen als Eisenfresser. «Er ist im persönlichen Umgang sehr offen, besitzt Kreativität und Kompromissbereitschaft», sagt der Militärexperte Sergei Litowkin.

Russland schickt einen bärbeissigen Unterhändler, der sich gegenüber einer US-Diplomatin schon über den Inhalt von deren Kleiderschrank lustig machte. «Für ihn wird es leichter sein zu versuchen, das Verhältnis zu entspannen», glaubt der Politologe Sergei Karaganow. «Ohne dass man ihn der Schwäche verdächtigt.»

Stefan Scholl, Moskau