Während sechs Jahren nach der Flüchtlingskrise 2015 hat man es nicht geschafft, das europäische Asylsystem krisenfest zu machen. Kommt es mit der Afghanistan-Krise jetzt zu einer neuen Migrationswelle, steht der Härtetest bevor. Das betrifft auch die Schweiz.
Wiederholt sich der Kontrollverlust aus der Flüchtlingskrise 2015, als über eine Million Menschen irregulär nach Europa eingereist sind? Das will man in der EU und auch in der Schweiz um jeden Preis verhindern. Zu schmerzhaft sind die Erinnerungen an die politischen Grabenkämpfe, die der Krise folgten.
Zwar ist die Situation in Afghanistan heute anders als damals in Syrien: Der Krieg ist beendet. Ein vergleichbarer Massenexodus findet derzeit nicht statt. Aber dass plötzlich wieder Hunderttausende Menschen vor den Toren Europas stehen, kann nicht ausgeschlossen werden.
Die EU und auch das Schengen-Land Schweiz sind darauf schlecht vorbereitet. Die vergangenen sechs Jahre hat man vertrödelt und es nicht geschafft, sich auf einen Mechanismus für einen ausserordentlichen Asyl-Andrang zu einigen. Das gesamteuropäische Asylsystem ist so Krisen-untauglich, wie eh und je.
Auf der anderen Seite hat sich eines im Gegensatz zu 2015 durchaus verändert: An den Aussengrenzen hat die EU an Widerstandsfähigkeit zugelegt. In Griechenland patrouillieren Frontex-Beamte und nationale Grenzschützer mit modernstem Gerät. Durchwinken ist nicht mehr. Dass ein starker Aussengrenzschutz auch in Konflikt mit individuellen Asylrechten kommen kann, nimmt man hin. Immerhin gibt es kaum noch ein europäisches Land, dass sich eine Neuauflage der viel zitierten «Willkommenskultur» wünscht. Auch Deutschland nicht. Schon gar nicht im Wahlkampf.
In Europa fehlt es im Moment nicht nur an einer krisentauglichen Flüchtlingspolitik. Sondern auch an der Bereitschaft, erneut eine grosse Zahl an Schutzsuchenden aufzunehmen.
Deshalb gilt umso mehr: Kommt die Migrationswelle, steht der Härtetest bevor.