Kim Jong Il regelt seine Nachfolge

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Il hat anscheinend seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un zu seinem Nachfolger auserkoren. Dies berichteten gestern südkoreanische Medien.

Bernhard Bartsch
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Demonstranten in Seoul zeigen Vater (r.) und Sohn Kim Jong. (Bild: ap/Ahn Young-joon)

Demonstranten in Seoul zeigen Vater (r.) und Sohn Kim Jong. (Bild: ap/Ahn Young-joon)

Peking. Unmittelbar nach dem Atombombentest am Montag vergangener Woche habe das Regime seine Auslandvertretungen über die Wahl des Machterben informiert, berichteten südkoreanische Zeitungen gestern unter Berufung auf Geheimdienstkreise.

Vertreter des Parlaments und der Armee hätten bereits Treueschwüre auf Kim Jong Un schwören müssen. Der jüngste Sohn des Diktators in Pjöngjang würde die seit 1948 andauernde Herrschaft des Kim-Clans in die dritte Generation führen.

Ältester Sohn übergangen

Schon seit Januar hatten sich die Zeichen verdichtet, dass der vergangenes Jahr schwer erkrankte 68jährige Kim Jong Il dem langen Rätselraten um seinen Wunschnachfolger ein Ende bereiten werde und entgegen koreanischer Familientradition nicht seinen ältesten, sondern seinen jüngsten Sohn als politischen Erben auserkoren habe.

Kims Erstgeborener Kim Jong Nam soll bei seinem Vater in Ungnade gefallen sein, weil er im Ausland mehrfach peinliche Schlagzeilen hervorrief, so 2001, als er mit einem gefälschten Pass in Tokio verhaftet wurde; er hatte dort mit seinem Sohn Disneyland besuchen wollen.

Schulbesuch in der Schweiz

Kim Jong Un, dessen Alter auf 25 Jahre geschätzt wird, ist dagegen fast ein Phantom. Was über ihn bekannt ist, beruht mehr auf Gerüchten als auf gesicherten Quellen.

Einen Grossteil seiner Jugend soll Jong Un in der Schweiz verbracht haben, wo er in der nordkoreanischen Botschaft lebte und unter dem Namen Pak Chol die Internationale Schule in Muri bei Bern besuchte. Falls dies stimmt, müsste er über gute Englischkenntnisse und auch einige Deutschkenntnisse verfügen. Die Schule nimmt dazu keine Stellung.

Mitschüler sollen kolportiert haben, der Diktatorensohn liebe Basketball sowie Actionfilme und sei bei seinen internationalen Klassenkameraden beliebt gewesen. 1998 verliess Kim die Schule angeblich ohne Abschluss und verschwand in Nordkorea, wo bis auf vereinzelte Berichte über gemeinsame Inspektionsreisen mit seinem Vater lange Zeit nichts über ihn und von ihm zu hören war.

Im vergangenen April vermeldeten dann Südkoreas Geheimdienste, Jong Un sei in die Oberste Volksversammlung gewählt worden und habe einen Posten im Nationalen Verteidigungsausschuss erhalten. Eine Bestätigung durch die offizielle nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA fehlt bis heute.

Neuer Herrscherkult?

Doch die Heimlichtuerei könnte bald ein Ende haben, zumindest wenn Kim Jong Il die Machtübernahme für seinen Sohn ähnlich in Szene setzt wie seinerzeit seine eigene.

Anfang der Achtziger hatte die Staatspropaganda begonnen, den Sohn von Staatsgründer Kim Il Sung mit einem eigenen Persönlichkeitskult auszustatten. Zu seinen Herrscherweihen gehörte auch ein offizieller Führer-Titel. Nachdem Kim Il Sung als «Grosser Führer» verehrt wurde, erhielt Jong Il den Beinamen «Geliebter Führer».

Was für ein Führer Jong Un werden will, ist allerdings noch nicht bekannt. Doch da Nordkorea auf der Weltbühne künftig als Atommacht ernst genommen werden will, wäre vielleicht der Titel «Strahlender Führer» angemessen.

Nordkorea bereitet neben dem Start einer Interkontinentalrakete anscheinend auch den Test einer Mittelstreckenrakete vor.

Anzeichen dafür seien an einer Abschussanlage an der Ostküste des Landes beobachtet worden, zitierte die nationale Nachrichtenagentur Yonhap gestern einen Abgeordneten.