Helmut Kohls Witwe kämpft um die Erinnerung an den «Einheitskanzler»

Die Witwe von Helmut Kohl kämpft weiter um das politische Erbe des 2017 verstorbenen Ehemannes. Am Mittwoch beginnt eine weitere Gerichtsverhandlung.

Christoph Reichmuth, Berlin
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Maike Kohl-Richter. Bild: Andreas Arnold/Keystone (Berlin, Strassburg, 17. Juli 2018)

Maike Kohl-Richter. Bild: Andreas Arnold/Keystone (Berlin, Strassburg, 17. Juli 2018)

Der Tod von Helmut Kohl liegt fast zwei Jahre zurück. Und noch immer tobt in deutschen Gerichten ein Kampf um die Deutungshoheit über das politische Leben jenes CDU-Bundeskanzlers, der zwischen 1982 und 1998 regierte und als «Einheitskanzler» in die Geschichte eingegangen ist. Auch am Mittwoch geht es vor dem Kölner Landgericht wieder um das politische Erbe des mächtigen Rheinland-Pfälzers.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht Kohls zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter. Die heute 55-Jährige war von 2008 bis zu seinem Tode mit Kohl verheiratet. Die Witwe geht seit Jahren juristisch gegen das bereits 2014 erschienene Buch «Die Kohl-Protokolle» von Kohls ehemaligem Ghostwriter Heribert Schwan vor. Das Buch enthält teils pikante und bisweilen böse Zitate, die Kohl über ehemalige Parteifreunde und politische Weggefährten geäussert hatte. Die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel tadelte Kohl etwa wegen ihrer Tischmanieren. Zudem redete er auch den Einfluss der Protestbewegung in der ehemaligen DDR von Herbst 1989 auf den Zusammenbruch des Bauernstaates klein.

Schwan und Kohl trafen sich zu Beginn der 2000er-Jahre regelmässig in Kohls Eigenheim in Oggersheim. Der Journalist und Ghostwriter schnitt von den legendären «Kellergesprächen» über 600 Stunden Tonmaterial mit. Das Buch «Die Kohl-Protokolle» veröffentlichte Schwan – nachdem es zum Bruch zwischen Kohl und dem Ghostwriter gekommen war – im Verlag Random House ohne Autorisierung des Politikers. Bereits in vorherigen Prozessen wurde der Verlag dazu verpflichtet, besonders brisante Zitate aus dem Buch herauszustreichen. Zudem sprach das Landgericht Köln dem Altkanzler bereits 2017 eine Million Euro Entschädigung zu. Doch Kohl verstarb im Juni desselben Jahres, noch bevor das Urteil rechtskräftig wurde. Mittlerweile beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob der Entschädigungsanspruch vererblich ist.

In dem am Mittwoch beginnenden Verfahren steht die Frage im Raum, ob Ghostwriter Schwan die brisanten Textpassagen ohne Freigabe durch Kohl veröffentlichen durfte oder nicht. Als Zeuge geladen ist unter anderen Peter Kohl – einer der beiden Söhne des «Einheitskanzlers». Der 54-Jährige ist für Kohl-Richter keine Hilfe. Vor etwa einem Jahr erzählte Peter Kohl in einem Interview von einem dieser «Kellergespräche», dem er einmal beiwohnen durfte. Helmut Kohl und der Ghostwriter hätten «maximal offen» miteinander gesprochen – im vollen Bewusstsein, dass die Gespräche mitgeschnitten wurden. Nun müssen die Richter entscheiden: Gab es eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Kohl und seinem Ghostwriter Schwan oder war Kohl von Anfang an damit einverstanden, dass sämtliche Tonmitschnitte veröffentlicht werden dürfen? Am Ende geht es nicht nur um Zitate – sondern um Schadenersatz in hoher Summe.

In der Causa sind die Sympathien in der Öffentlichkeit klar verteilt, nachdem es zwischen Kohl und seinen Söhnen und ehemaligen Weggefährten seit der Heirat mit Kohl-Richter zum Bruch gekommen war. Maike Kohl-Richter gilt bis heute als die kaltherzige, machtbesessene Witwe, die den nach einem schweren Sturz 2008 auf Hilfe angewiesenen Altkanzler von seinem früheren Umfeld abgeschottet hatte. Für Aussenstehende ist es indes nicht möglich, die Familien-Fehde zu durchschauen. In einem ihrer seltenen Interviews erklärte Kohl-Richter, warum sie sich so sehr gegen die Veröffentlichung der «Kohl-Protokolle» wehrt. «Es geht ja nicht um einen Blechschaden am Auto», sagte sie. «Es geht darum, was von dem Staatsmann Helmut Kohl in Erinnerung bleibt.»