Vor 40 Jahren stürzten junge Offiziere mit einem unblutigen Aufstand die portugiesische Diktatur. An der offiziellen Gedenkfeier wollen sie nicht teilnehmen. Sie beklagen, dass das krisengeschüttelte Land heute kaum etwas zu feiern habe.
LISSABON. Die Revolutionsfeier in Portugal findet ohne die Revolutionäre statt: Vor 40 Jahren, am 25. April 1974, erhob sich eine Gruppe junger Offiziere gegen die Diktatur und erzwang unblutig den Rücktritt des Regimes. Die Bürger riefen «Es lebe Portugal» und bedankten sich bei den Soldaten mit roten Nelken, die diese in die Läufe ihrer Gewehre steckten – seither wird von Nelkenrevolution gesprochen.
Doch jene Männer, die damals der Demokratie, Freiheit und sozialen Gerechtigkeit den Weg bahnten, weigern sich nun, an der offiziellen Gedenkfeier im Parlament teilzunehmen. Aus ihrer Sicht gibt es im Land, das vor drei Jahren vom EU-Rettungsfonds vor dem Bankrott bewahrt werden musste, wenig zu feiern. Sie protestieren gegen die harte Sparpolitik, mit der der konservative Regierungschef Pedro Passos Coelho versucht, das Schuldenland aus dem Tal zu ziehen.
«Wir sind gegen diese Regierung, die die Lebensbedingungen der Portugiesen verschlechtert», sagt der 77jährige Otelo de Carvalho, der den Aufstand der linken «Bewegung der Streitkräfte» anführte. «Es ist frustrierend, dass 40 Jahre nach dem 25. April mehr als zwei Millionen portugiesische Familien in Armut leben.» Zwar habe man den damaligen Polizeistaat besiegt und für die zehn Millionen Portugiesen die Bürgerrechte wiedergewonnen. «Aber wir sind enttäuscht, weil der Sozialstaat, den wir wollten, weit entfernt ist.»
Portugal hat sich mit dem EU-Rettungskredit von 78 Milliarden Euro zu einer harten Sanierungspolitik mit Steuererhöhungen, Kürzungen staatlicher Leistungen und Lohnsenkungen verpflichtet. Der Sparkurs liess die ohnehin schwache Wirtschaft weiter einknicken. Arbeitslosigkeit, Armut und Verzweiflung wuchsen. Zehntausende packten die Koffer, suchten im Ausland ein besseres Leben.
«Es reicht, wir können nicht mehr», protestieren immer mehr Portugiesen. Der internationalen Kreditgeber-Troika aus EU, Währungsfonds und Europäischer Zentralbank schleudern sie entgegen: «Schert euch zum Teufel!»
Der Revolutions-Feiertag, der «Dia da Liberdade» (Tag der Freiheit), ist nun auch ein Tag des Zorns, an dem die Bürger – mit roten Nelken in der Hand – gegen die Sparwut auf die Strasse gehen. Die alte Revolutionshymne «Grandola, Vila Morena» (Grandola, dunkle Stadt), 1974 das Signal zum Aufstand, ist inzwischen zum aktuellen Kampflied der frustrierten Portugiesen geworden.
In der Kommunalwahl im Herbst bekam Regierungschef Passos Coelho heftigen Gegenwind zu spüren: Seine konservativen Sozialdemokraten erlitten eine verheerende Niederlage, die oppositionellen Sozialisten triumphierten. In der kommenden Europawahl bahnt sich die nächste Niederlage an. Aber Passos Coelho gibt sich optimistisch und sieht Portugal auf dem Weg der Besserung: «Wir geben nicht auf.» Immerhin kann er pünktlich zum Revolutionstag einen Achtungserfolg vorweisen: Seinem Land gelang es, nach fast drei Jahren am Tropf, erstmals wieder Geld am Finanzmarkt zu erträglichen Zinsen zu leihen.
Auch wenn die Bürger in ihren Portemonnaies noch keine Besserung spüren, scheint es doch etwas aufwärts zu gehen. Dank der eisernen Sparpolitik sank das Haushaltsdefizit 2013 auf 4,9 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Die Wirtschaft wächst zaghaft, vor allem Exporte und Tourismus boomen. Aber die weiter steigende öffentliche Gesamtverschuldung, die inzwischen bei 130 Prozent des BIP liegt, signalisiert, dass der Leidensweg noch nicht beendet ist.
«Die Krise zerstört das Land», glaubt Mario Soares, Portugals Symbolfigur der Demokratie. Der 89jährige Sozialist war der erste frei gewählte Ministerpräsident nach der Revolution und ist jetzt einer der schärfsten Kritiker von Passos Coelho. Von den Träumen der damaligen Freiheitskämpfer sei heute nicht mehr viel übrig, befindet er traurig und warnt: «Die Sparsamkeit tötet.»