Startseite
International
Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia, will erste Ministerpräsidentin des Landes werden.
Die 43-Jährige aus dem Römer Arbeiterviertel Garbatella ist normalerweise nicht auf den Mund gefallen, im Gegenteil. Doch wenn es um das Verhältnis zu Lega-Chef Matteo Salvini geht, zeigt sich Giorgia Meloni neuerdings auffallend zurückhaltend. «Je mehr Menschen bestimmte politische Ideen vertreten, desto besser», pflegt sie auf die Frage zu antworten, ob sie sich inzwischen als Konkurrentin Salvinis im rechten Lager sehe. Man ergänze sich ganz gut: Sie sei «nachdenklich und pingelig», während der Lega-Chef «impulsiver» sei.
In Wirklichkeit gibt es diese Konkurrenz unter Italiens Rechten und Ultrarechten aber sehr wohl - und seit einigen Wochen ist es die Aufsteigerin Giorgia Meloni, die den Wind im Rücken hat. Die von ihr im Jahr 2013 gegründeten postfaschistischen Fratelli d’Italia («Brüder Italiens») sind von 6,4 Prozent bei den Europawahlen im Mai 2019 laut den letzten Umfragen auf 13 Prozent angestiegen, während Salvinis rechtsnationale Lega von 34 auf unter 30 Prozent gesunken ist. Bei der Beliebtheit liegt Meloni inzwischen sogar vor Salvini.
Die Diskussion darüber, wer von ihnen nun rechter sei, belustigt sie: «Ich bin die Rechte, ich bin schon rechts geboren», betont die Römer «Pasionaria». Giorgia Meloni war schon im Alter von 15 Jahren der Fronte della Gioventù («Jugendfront») des postfaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) beigetreten. Später politisierte sie in der Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, der die Postfaschisten auf die Demokratie verpflichtet und regierungsfähig gemacht hatte. Im Jahr 2008 wurde Meloni unter Silvio Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin.
Zu Melonis Sympathisanten zählen Duce-Nostalgiker und ehemalige neofaschistische Schläger; an ihren Wahlkampfauftritten ist regelmässig der «römische Gruss» zu sehen, der dem Hitlergruss entspricht. Meloni gibt sich dagegen als emanzipierte Frau und Mutter, die mit den Mussolini-Anhängern wenig gemein hat. So richtig distanzieren mag sie sich dennoch nicht: «Der Faschismus muss im Kontext seiner Zeit beurteilt werden», erklärt Meloni.
Mit seiner oft primitiven Art, den politischen Gegner zu attackieren, verschreckt Salvini viele moderate Rechts-Wähler. Meloni agiert geschickter: Auch sie hat sich schon für eine Seeblockade gegen Flüchtlingsboote ausgesprochen, aber im Unterschied zu Salvini verunglimpft sie die Migranten nicht pauschal als potenzielle Verbrecher.
Inzwischen liebäugelt Meloni mit einer Spitzenkandidatur bei den nächsten Parlamentswahlen. «Italien wäre reif für seine erste Premierministerin», sagt sie. Die Abmachung mit der Lega sei aber klar: Den Spitzenkandidaten stellt die Partei, die in den Umfragen vorne liegt - und das sei im Moment noch die Lega. Sollte Salvini aber im Zusammenhang mit der Blockierung von Flüchtlingsschiffen wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch verurteilt werden, würde sich die Abmachung erübrigen. Dann könnte Giorgia Melonis Stunde schlagen.