Nach einer Massenflucht von 1300 Flüchtlingen aus dem Aufnahmezentrum ist auf der italienischen Insel Lampedusa wieder Ruhe eingekehrt. Die Regierung in Rom will hart bleiben.
rom. Die Flüchtlinge waren am Samstagmorgen aus dem – an sich geschlossenen, aber nicht besonders gesicherten – Aufnahmezentrum geflohen, um sich im Hauptort der Insel einer Demonstration der Einheimischen anzuschliessen, die gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung Berlusconi protestierten. Laut Medienberichten hatten sämtliche 1300 Flüchtlinge an der Massenflucht teilgenommen, die sich im Aufnahmezentrum befanden; gegen Abend sind alle zumeist freiwillig zurückgekehrt. Gewalttätige Zwischenfälle wurden nicht gemeldet; am Sonntag herrschte auf der Insel eine gespannte Ruhe.
Das Aufnahmezentrum ist nur für 800 Personen konzipiert, in den vergangenen Wochen lebten dort aber bis zu 1800 Menschen. Im Lager fehlt es an allem; eine Sprecherin des UNO-Hochkommissariats sprach von einer unhaltbaren Situation: «Sowohl die Sicherheit der Flüchtlinge als auch jene des Personals ist in Gefahr.» Die meisten Inselbewohner solidarisieren sich nicht wirklich mit den Flüchtlingen; sie wollen einzig, dass die ungebetenen Gäste von der Regierung so schnell wie möglich auf das Festland gebracht werden. Nur in diesem Punkt decken sich ihre Forderungen mit jenen der Flüchtlinge.
Italiens Innenminister Roberto Maroni von der fremdenfeindlichen Lega Nord jedoch bleibt hart: «Die Flüchtlinge bleiben in Lampedusa bis zu ihrer Abschiebung in ihr Herkunftsland», sagte er am Samstag. Die Situation sei «unter Kontrolle». Nachdem letzte Woche 400 nichttunesische Flüchtlinge aufs Festland gebracht worden waren, befinden sich derzeit fast nur noch Tunesier im Aufnahmezentrum. Maroni hofft, mit ihrem Herkunftsland in Kürze ein Rückübernahmeabkommen abschliessen zu können; aus diesem Grund reist der Innenminister am Dienstag nach Tunis. Das einzige Land, mit dem Italien bisher über ein derartiges Abkommen verfügt, ist Ägypten.
Allein in den ersten zwanzig Tagen des neuen Jahres sind in Lampedusa über 1500 Bootsflüchtlinge angekommen; im vergangenen Jahr wurden insgesamt 30 000 Ankömmlinge registriert – ein Rekord. Eine Verbesserung der desolaten Situation verspricht sich die Regierung von einem Vertrag mit Libyen. Das nordafrikanische Land hat sich gegenüber Italien zu einer gemeinsamen Kontrolle der Küstengewässer verpflichtet.