Freude, aber auch Zweifel

Im Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen schweigen wieder die Waffen. Erneut bildet der Waffenstillstand aber nur den Anfang von schwierigen Verhandlungen.

Susanne Knaul
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Palästinenser feiern in Gaza-Stadt den Waffenstillstand als Sieg über Israel. (Bild: ap/Adel Hana)

Palästinenser feiern in Gaza-Stadt den Waffenstillstand als Sieg über Israel. (Bild: ap/Adel Hana)

JERUSALEM. Über Stunden feierten die Palästinenser im Gaza-Streifen in der Nacht auf gestern den Waffenstillstand, der diesmal unbegrenzt gelten soll. Zum ersten Mal seit Wochen waren auch führende Köpfe der Hamas wieder öffentlich zu sehen. Israels Garantie, von gezielten Exekutionen palästinensischer Islamisten vorerst abzusehen, war die letzte Klausel in dem von Kairo vermittelten Waffenstillstands-Kompromiss. Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri versprach den Israeli im Umland des Gaza-Streifens, sie wären in ihren Häusern nun sicher, sie könnten also zurückkehren. Tausenden Bewohnern der Kibbuzim unweit der Grenze reichte diese Garantie indes nicht. Auch gestern blieben zahlreiche Ämter und Kindergärten geschlossen. Noch am Vorabend waren zwei Männer bei Angriffen mit Mörsergranaten gestorben.

Heikle Punkte vertagt

Die Einigung «krönt die starke Position des palästinensischen Volkes und den Sieg des Widerstands», jubelte Mussa Abu Marsuk, die Nummer zwei im Politbüro der Hamas. Tatsächlich weicht der Kompromiss nur wenig von den vor zwei Jahren getroffenen Waffenstillstandsvereinbarungen ab. Dazu gehören Erleichterungen des Grenzverkehrs und die Ausweitung der Fanggebiete für die Fischer. Strittig bleibt der Gefangenenaustausch und das Ende von Israels See- und Luftblockade, wie dies die Hamas fordert; strittig bleibt auch Israels Forderung, den Gaza-Streifen zu entmilitarisieren. Innerhalb eines Monats sollen die Verhandlungen über diese Punkte beginnen. Sollte es keine Einigung geben, ist ein neuer Krieg eine Frage der Zeit.

Das Wichtigste ist nun zunächst die Lieferung humanitärer Hilfsgüter und Baumaterial. Nach Informationen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) sind 600 000 Palästinenser obdachlos. Die Strom- und Frischwasserversorgung sowie die Abwasserentsorgung hat schweren Schaden genommen. Gestern ermöglichte Ägypten erstmals seit acht Jahren einem Konvoi des Welternährungsprogramms der UNO (WFP) den Zugang via Rafah in den Gaza-Streifen. 18 Lastwagen hatten laut WFP «genug Nahrungsmittel geladen, um 150 000 Menschen fünf Tage lang zu ernähren».

Palästinensische Aussöhnung?

Neu an der Waffenstillstandsregelung ist die Rückkehr der Fatah-nahen «Force 17»-Sicherheitstruppen, die auf palästinensischer Seite für die Kontrollen der Grenzübergänge zuständig sein sollen. Diese Truppen waren im Sommer 2007 bei den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas vertrieben oder entwaffnet worden.

Die Zusammenarbeit von Hamas und Fatah bei der Sicherheit könnte sich jedoch als erste Fallgrube auf dem Weg zur langfristigen Befriedung des Gaza-Streifens erweisen. Eher für ein Gelingen der palästinensischen Versöhnung spricht wiederum die intensivierte Zusammenarbeit von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas mit dem Chef des Hamas-Politbüros, Khaled Mashaal. Erschwerend für den Versöhnungsprozess anderseits ist das harte Vorgehen der Hamas während des Krieges gegen Kritiker im Gaza-Streifen. Nach Informationen von Israels Inlandsgeheimdienst Shin Beth hat die Hamas zudem einen Putsch im Westjordanland geplant. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu lehnte bisher die Kooperation mit der Anfang Juni gegründeten Einheitsregierung der Palästinenser ab.

Neue diplomatische Offensive

Abbas plant eine neue diplomatische Offensive. Dafür ist der Zeitpunkt günstig. Israels Regierung steht international unter Druck. Zum ersten Mal verzögerte Washington kurzfristig die Lieferung von Kampfhelikoptern. Die westlichen Regierungen signalisierten in den letzten Wochen zwar Verständnis für Israels Sicherheitsbedürfnisse, dennoch besteht Erklärungsbedarf für die hohe Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten im Gaza-Streifen. Der UNO-Sicherheitsrat beschloss bereits eine Untersuchungskommission.

Gefahr längst nicht gebannt

Auch in Israel hat Abbas in den letzten Wochen deutlich an Ansehen gewonnen. Im Vergleich zur Hamas erscheint der Fatah-Chef nun doch wieder als geeigneter Partner für einen Frieden, ohne den es keine Sicherheit geben wird. Dass noch am Dienstag zwei Israeli ums Leben gekommen sind, macht deutlich, dass die Gefahr längst nicht gebannt ist. Sogar Netanyahu sprach kürzlich von einem neuen «politischen Horizont». Kompromisse dürften mit seiner Koalition indes schwierig sein. Im Kabinett, über dessen Kopf hinweg er dem Waffenstillstand zustimmte, herrscht Unmut über Netanyahu, der das Schlachtfeld zu früh geräumt habe.