Europas Rechtspopulisten klatschen, Blocher hält Distanz

Rechtspopulisten in europäischen Ländern wollen von Trumps Wahlerfolg profitieren. SVP-Chefstratege Christoph Blocher sieht Parallelen, betont aber den Sonderfall Schweiz.

Fabian Fellmann
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«Wir sind Präsident»: So haben gestern nicht etwa US-Republikaner, sondern deutsche Rechtspopulisten vom Berliner Ableger der AfD auf den Wahlausgang in den USA reagiert. Von einem «Sieg der Freiheit eines souveränen Volks» sprach Marine Le Pen vom französischen Front National. Und der Chef der niederländischen Freiheitspartei, Geert Wilders, jubelte: «Die Amerikaner holen sich ihr Land zurück. Das werden wir auch tun.»

So wähnen sich nun ausgerechnet jene im Sieg vereint, bei denen sonst die Rede von der Überlegenheit der eigenen Nation und dem Anti-Amerikanismus zum Standardrepertoire gehören. Damir Skenderovic, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Freiburg, sagt: «Das Gespenst des Populismus ist in Amerika gelandet.» Der Spezialist für Rechtspopulismus sieht starke Parallelen zwischen den Entwicklungen dies- und jenseits des Atlantiks, die Wichtigste in der Rhetorik gegen das Establishment, aber auch bei der Betonung identitärer Fragen. Trump habe Forderungen erhoben, wie sie in Europa seit den 1990er-Jahren kursierten. Nun könnte die Rhetorik, in den USA gestärkt, die Populisten in Europa stärken.

«Abrechnung mit Obamas Politik»

In der Schweiz bedient sich die SVP rechtspopulistischer Instrumente. Während einzelne Exponenten, etwa der Walliser Staatsrat Oskar Freysinger, Beziehungen zu europäischen Gesinnungsgenossen pflegen, markiert die Parteispitze Distanz. Chefstratege Christoph Blocher sagt, er sei als Trump karikiert worden, sehe selbst jedoch keine Parallelen. Inhaltlich indes schwankt der frühere Bundesrat zwischen der Betonung des Schweizer Sonderfalls und Vergleichen, etwa wenn er zur Kritik des Establishments ansetzt: Auch in der Schweiz wolle die Elite Leute, die anderer Meinung seien, totschweigen, und die direkte Demokratie beschneiden.

«Das Resultat der amerikanischen Wahlen muss uns allen zu denken geben. Es ist Ausdruck eines tiefen Grabens zwischen dem Establishment und der Bevölkerung. Das Volk ist das Risiko eingegangen, Trump zu wählen, statt eine Vertreterin des Establishments ohne Risiko», sagt Blocher. Die amerikanischen Wähler hätten mit Obamas Politik abgerechnet, Analoges gehe in ganz Europa los. «Gegenkräfte, die Themen aufgreifen und gelöst haben wollen, werden als Populisten verspottet», sagt der SVP-Stratege.

Wie Trump kultiviert er dabei die Rolle der eigenen Bewegung als Einzelkämpferin gegen alle anderen. «Bei der Masseneinwanderungs-Initiative stimmte das Volk ab, und jetzt studieren die anderen Parteien daran herum, wie man das Resultat umgehen kann. Da haben viele Leute ein Gefühl der Ohnmacht», sagt Blocher, und zieht eine Parallele, die er gleich wieder einschränkt: «Trump ist eindeutig ein Ventil für viele Leute, die sich machtlos fühlen. In der Schweiz haben wir den Vorteil, dass eine solche Polarisierung mit der direkten Demokratie nicht so gut möglich ist.» Die Schweiz sei darum so anders, «weil die Macht durch den Föderalismus und die Volksrechte pulverisiert wird. Die Politiker haben nicht so viel zu sagen, und das Volk kann immer noch abstimmen über umstrittene Gesetze.»

Die direkte Demokratie als Bollwerk vor den Auswüchsen des Populismus? Die These ist umstritten. Sicher ist: Die institutionelle und politische Einbindung der Rechtspopulisten habe nicht zu deren Schwächung geführt, sagt Skenderovic. Vielmehr seien einige ihrer Ideen akzeptiert und umgesetzt worden: «Die Rechtspopulisten haben die Grenzen des Sagbaren verschoben. Sie machen Aussagen über Migranten, Muslime, Frauen und Andersdenkende, die seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesagt werden konnten.»