Die EU-Skepsis hat Konjunktur. In den Niederlanden ist die Regierung bei der Abstimmung über den Eurorettungsschirm auf die Opposition angewiesen.
AMSTERDAM. «Es gibt eine Party im Schiesszelt der Euroskeptiker» – so kommentiert die Tageszeitung «De Pers» die Stimmung in den Niederlanden. Die Garantieforderungen der finnischen Regierung vor weiteren Hilfszahlungen an Griechenland hatten grosses Aufsehen erregt. Allen voran bei der rechtspopulistischen Freiheitspartei (PVV), die umgehend eine ähnliche Regelung für die Niederlande forderte.
Seit Jahren führt die PVV, international für ihren Anti-Islam-Kurs bekannt, eine Kampagne gegen Brüssel. Die Eurokrise giesst Wasser auf ihre Mühle. Die Regierung steht dadurch unter Druck, denn die konservativ-liberale Minderheitskoalition kann sich nur mit Duldung der PVV im Sattel halten.
Für die Abstimmung über den Euronotfonds musst sie gestern allerdings auf deren Unterstützung verzichten. Die PVV hält jeden nach Athen überwiesenen Cent für Geldverschwendung. Stattdessen konnte die Regierung auf die Unterstützung linker und liberaler Oppositionsparteien setzen. Heikel war die Lage dennoch, denn die Stimmung im Land ist eine andere: Im August gaben in einer Umfrage 56 Prozent der Teilnehmer an, sie würden dem Euro nicht mehr beitreten, sollten die Niederlande noch einmal die Wahl haben. Nur 32 Prozent glauben, dass die Eurozone die Schuldenkrise überstehe.
Die Skepsis überträgt sich auch auf die aktuellen politischen Kräfteverhältnisse. Die proeuropäischen Christ- und Sozialdemokraten stehen zurzeit in einem historischen Tief ihrer Popularität. Die Rechtspopulisten hingegen sind hinter der neoliberalen VVD von Ministerpräsident Mark Rutte zweitstärkste Partei – Tendenz steigend. Den grössten Zuwachs im Vergleich zu den Wahlen von 2010 verzeichnen als drittstärkste Partei die Sozialisten (SP), die spiegelbildlich zur PVV die linke Euroskepsis vertreten. Dass beide in diesen Tagen auf so viel Zuspruch stossen, ist kein Zufall. Wer die jüngere Geschichte der Niederlande im Blick hat, muss unweigerlich an 2005 denken: Das «Nee» zur Europäischen Verfassung ging damals auf die Agitation von SP und PVV zurück.
Seither sind die EU-kritischen Stimmen nicht mehr verschwunden – und heute sind sie so laut denn je. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Eurokrise Hollands Steuerzahler kräftig zur Kasse bittet, während die Regierung gleichzeitig an der Umsetzung eines 29 Milliarden Euro schweren Sparpakets zur Sanierung des eigenen Haushalts arbeitet.