«Er redet nur von Deutschland»

Angela Merkel setzt sich offen für Nicolas Sarkozys Wiederwahl ein. Die Deutschland-Fixierung des Präsidenten geht aber vielen Franzosen zu weit.

Stefan Brändle
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PARIS. «Sarko l'Américain», das war einmal. Der französische Staatschef, zu Beginn seiner Amtszeit leidenschaftlicher Atlantiker, USA-Fan und Nato-Befürworter, entdeckt heute «deutsche Tugenden», wie er selber sagt. Keine Rede, in der er nicht ein Dutzend Mal das deutsche Vorbild lobt. Frankreich müsse sich seinem grossen Nachbarn wirtschaftspolitisch anpassen, wiederholt er unentwegt.

Damit rechtfertigt Sarkozy unter anderem die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Januar. Vor allem aber leiten ihn wahlpolitische Motive: Sarkozy spielt die deutsche Karte, um seinen sozialistischen Rivalen François Hollande an die Wand zu spielen. Dieser hatte dem amtierenden Staatschef vorgeworfen, er ordne sich Merkel unter. Hollande selbst will die EU-Verträge neu aushandeln, falls er im Mai Präsident Frankreichs wird.

Gemeinsamer Fernsehauftritt

Dagegen bietet Sarkozy nun deutsche Rückendeckung auf. Am Montag ist Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten zusammen in einer Fernsehsendung des ZDF und von France-2 aufgetreten. Offiziell, um die deutsch-französische Einheit zu unterstreichen.

In Wahrheit leistet die CDU-Kanzlerin ihrem Parteifreund aus der bürgerlichen Partei UMP damit schwesterliche Wahlhilfe. Bei einem bilateralen Gipfel im Elysée-Palast wich sie gestern Fragen aus, ob sie auch Hollande empfangen würde – der um ein Treffen mit Merkel ersucht hat.

Blankocheck der Kanzlerin

Doch Sarkozy mobilisiert Merkel auch gegen Hollandes Wunsch nach einer Neuverhandlung der EU-Verträge. Die Kanzlerin liess in Paris indirekt durchblicken, dass solche Abkommen für alle Parteien verbindlich seien – um ungefragt anzumerken: «Ich unterstütze Nicolas Sarkozy als Vertreter einer befreundeten Partei – und zwar in jeder Lage.» Die französischen Journalisten reagierten mit verblüfftem Raunen auf den Blankocheck der Kanzlerin.

Ähnlich reagieren viele Franzosen auf Sarkozys neue Deutschland-Faszination, wenn nicht -Fixierung. Nach seinem Fernsehauftritt Ende Januar hatte eine Zuschauerin gegenüber dem Boulevardblatt «Le Parisien» erklärt: «Er redet ja nur von Deutschland!»

Auch deutsches Unbehagen

Sarkozy verteidigte sich am Montag im Elysée: «Wir sind nicht eifersüchtig auf Deutschland, wir lassen uns nur durch unsere Nachbarn inspirieren.» Eine Vertreterin der deutschen Botschaft meinte darauf hinter vorgehaltener Hand, das ständige Deutschland-Lob gehe ihr langsam «ein wenig zu weit».

Vor allem, wenn die erwünschte Angleichung ausbleibt: Und in letzter Zeit hat Frankreich eher noch Boden auf die deutsche Wirtschaft verloren, wie der Verlust des Triple-A durch die Ratingagenturen aufzeigt.