Empfindliche Verluste für Türkei und Russland

Michael Wrase, Limassol
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Syrien-Konflikt Die türkische Armee hat bei ihrer vor zwei Wochen gestarteten Operation Olivenzweig in der überwiegend von Kurden bewohnten Region Afrin im äussersten Nordwesten von Syrien bisher nicht die gewünschten Resultate erzielt. Die von isla­mistischen syrischen Rebellen unterstützten Angriffsaktionen beschränkten sich auf die Grenzgebiete zur Türkei, wo Einheiten der von Ankara als terroristisch eingestuften kurdischen «Volksverteidigungseinheiten» (YPG) heftigen Widerstand leisten. Am Wochenende meldete der türkische Generalstab den Tod von acht Soldaten, von denen fünf offenbar bei einem Raketenangriff auf einen Leopard-Panzer starben. Auch die YPG verzeichnet hohe Verluste. Die von Ankara gemeldete Zahl von 900 «YPG-Terroristen» halten Beobachter in dem Kampfgebiet aber für stark übertrieben.

Die türkische Regierung reagierte auf ihre hohen Verluste mit teilweise wüsten Vergeltungsdrohungen. «Wir werden es den Terroristen doppelt heimzahlen», kündigte Ministerpräsident Binali Yildirim an. Zuvor hatte Staatspräsident Reccep Tayyip Erdogan in einem Gespräch mit der italienischen Tageszeitung «La Stampa» bestritten, dass, wie von Menschenrechtsorganisationen gemeldet, in der Region von Afrin auch Zivilisten getötet worden seien. «Die Terrororganisation, die dies behauptet, nutzt die Bewohner in den umkämpften Gebieten als menschliche Schutzschilder», behauptete Erdogan.

Flüchtlinge erschossen?

Auch einen Bericht von Human Rights Watch hat die türkische Regierung als unwahr zurückgewiesen. Die Menschenrechtsorga­nisation hat türkischen Grenz­soldaten vorgeworfen, auf syrische Flüchtlinge zu schiessen. Nach Augenzeugenberichten sollen zwischen Mai und Dezember 2017 mindestens zehn Menschen, darunter auch ein Kind, erschossen worden sein. Sprecher von Erdogan erklärten dagegen, dass die gegenüber den Flüchtlingen praktizierte Politik der «offenen Tür» weiterhin gültig sei. Wie das UN-Nothilfebüro OCHA gestern meldete, befinden sich in der Region Afrin 15 000 Menschen auf der Flucht. Die meisten wollten in die Türkei, wo seit dem Beginn des Krieges 3,5 Millionen Syrer auf­genommen wurden.

Auch in der syrischen Provinz Idlib hat sich die humanitäre Lage dramatisch verschärft. Der Grund ist eine von der russischen Luftwaffe unterstützte Grossoffensive der syrischen Staatsarmee. Laut Human Rights Watch sind in dem Gebiet 272000 Zivilisten auf der Flucht vor Assads Soldaten. Sie haben für ihren Vormarsch grünes Licht aus Ankara erhalten. Im Gegenzug hatte zumindest Moskau die Operation Olivenzweig der türkischen Armee explizit abgesegnet, indem sie ihre in Afrin stationierten Soldaten demonstrativ abzog.

Nicht abgesprochen dürfte dagegen der Abschuss eines russischen Kampfjets vom Typ SU-25 in der Region Idlib gewesen sein. Man habe gestern die Maschine mit einer tragbaren Luftabwehrrakete vom Himmel geholt, brüstete sich die mit Al Kaida liierte Nusra-Front. Ob der Pilot, der sich zunächst mit dem Fallschirm retten konnte, von Nusra-Leuten ermordet oder, wie das russische Verteidigungsministerium behauptete, «im Kampf mit den Terroristen starb», ist unklar. Moskau reagierte auf den Tod des Piloten mit dem Abschuss von 30 Marschflugkörpern von Kriegsschiffen im östlichen Mittelmeer. 30 «Terroristen» seien «liquidiert» worden. Lokale Menschenrechtsorganisationen zählten zwölf Zivilisten.

Michael Wrase, Limassol