Nabil al-Arabi ist mit seinen 74 Jahren kein junger Mann mehr – und doch ist er, in einem Alter, in dem andere den Ruhestand geniessen, ein Mann der Revolution.
Nabil al-Arabi ist mit seinen 74 Jahren kein junger Mann mehr – und doch ist er, in einem Alter, in dem andere den Ruhestand geniessen, ein Mann der Revolution. Nur gut zwei Monate war er nach dem Sturz des Mubarak-Regimes ägyptischer Aussenminister. Doch hat ihm diese kurze Zeit im Amt gereicht, um Ägyptens Rolle in der Welt neu auszurichten: Die Annäherung an Iran nach Jahren des gegenseitigen Schweigens und das forschere Auftreten gegenüber Israel waren neue Töne in der ägyptischen Aussenpolitik. Bisher war diese stark von Washington und Israel bestimmt.
Vergangenen Sonntag nun hat die Arabische Liga Al Arabi zu ihrem neuen Generalsekretär gewählt. Mit dieser überraschenden Wahl habe «der Frühling im Nahen Osten die Arabische Liga erreicht», schreibt die «Süddeutsche Zeitung» dazu. Laut Dr. Edward Badeen vom Orientalischen Institut der Universtität Zürich hat die Wahl in Ägypten aber durchaus auch kritische Stimmen in der Reformbewegung geweckt: «Zwar ist Al Arabi ein Mann der Revolution. Es wird aber befürchtet, dass es bei seiner Wahl nur darum ging, ihn vom Posten des Aussenministers zu entfernen.»
Tatsächlich verliert Al Arabi mit seinem neuen Posten eher an politischem Einfluss: Die Bedeutung der Liga hat in den vergangenen Jahren stark abgenommen. «Sie hat in keinem wichtigen politischen Dossier – wie etwa der Palästina-Frage – Fortschritte erzielt», sagt Badeen. Ob das so bleibe, sei im Moment unklar: «Vielleicht haucht eine starke Figur wie Al Arabi der Liga wieder neues Leben ein.»
Al Arabis Wahl hatte sich im Vorfeld nicht abgezeichnet: Ägypten, das seit Jahrzehnten den Vorsitz der Liga innehat, hatte nämlich erst in letzter Minute seinen ursprünglichen Kandidaten Mustafa al-Fiqqi zurückgezogen – galt dieser doch als Gefolgsmann des Mubarak-Regimes als zu belastet.
Die neue Wirkungsstätte Al Arabis, der Hauptsitz der Arabischen Liga, liegt direkt am Kairoer Tahrir-Platz. Dieser wurde während der wochenlangen Proteste gegen Mubarak in stundenlangen Liveübertragungen zum Symbol der Revolution für die ganze Welt. Al Arabi selbst hatte während der chaotischen Tage der Revolution Einsitz in einem Rat der Weisen, der zwischen Demonstranten und dem Regime vermittelt.
Auch deswegen ist Al Arabi laut Edward Badeen im ägyptischen Volk beliebt als «integrer Politiker, der zu seinen Grundsätzen steht». Für seine Kompetenz spricht seine Laufbahn: Der promovierte Jurist hat in Kairo und New York studiert. Danach machte er Karriere als Diplomat, war unter anderem Botschafter in Indien und fünf Jahre lang Richter am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Al Arabi gehöre zu «jener wertvollen Spezies fast korruptionsfreier arabischer Spitzenbeamten, die sich in Washington und London so souverän bewegen (…) wie nun als Chef der Liga in Tunis und Damaskus», meint die «Süddeutsche Zeitung».
Al Arabi wird wohl seine ganze Erfahrung benötigen, um seine neue Aufgabe zu meistern: Die Liga ist von belastenden Widersprüchen zerrüttet. Einerseits unterstützte sie die Flugverbotszone über Libyen – was als Zeichen der Solidarität für die Protestbewegungen in der arabischen Welt gewertet wird. Andererseits gab sie bislang keinen Kommentar ab zur brutalen Niederschlagung der Protestbewegung in Syrien. (upz)