Echte und unfreiwillige Entertainer im neuen Europaparlament

Für die traditionellen Mitteparteien war es ein Tag zum Vergessen, für die Grünen und manche Vertreter des rechten Spektrums das pure Glück.

Fabian Hock
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Die Satiriker Martin Sonneborn (l.) und Nico Semsrott sind neu im Europaparlamant vertreten. (Bild: Felipe Trueba/EPA)

Die Satiriker Martin Sonneborn (l.) und Nico Semsrott sind neu im Europaparlamant vertreten. (Bild: Felipe Trueba/EPA)

Die EU-Wahl am Sonntag hat europäische Trends wie den Niedergang der Volksparteien und das Erstarken der Ränder befeuert. Doch diese grossen Linien sind nicht alles, was der europäische Urnengang zu Tage förderte.

Auch im Kleinen gibt es Sieger. Die Fernsehköchin Sarah Wiener zum Beispiel. Sie profitierte vom europäischen Hoch der Grünen, das zwar nirgends auch nur annähernd so spektakulär ausfällt wie in Deutschland, aber doch ausreicht, um die für die Ökopartei in Österreich kandidierende TV-Persönlichkeit ins Europaparlament zu spülen. Die Partei gab zuletzt ganz und gar kein gutes Bild ab, flog 2017 aus dem Parlament. Doch sage und schreibe 14 Prozent standen am Sonntagabend auf der Haben-Seite. Als Abgeordnete will die Quereinsteigerin Wiener nun für «Alternativ-Modelle zur Agro-Industrie» kämpfen.

Einige europäische Prominente hatten sich aufstellen lassen, nur wenige verpassten den Sprung ins Parlament. Yanis Varoufakis etwa. Unter anderem von TV-Star Pamela Anderson unterstützt, hatte der Ex-Finanzminister Griechenlands kandidiert – ohne indes vorzuhaben, tatsächlich ins Parlament einzuziehen.

Berlusconi hat sich in Brüssel schon ein Haus gekauft

Anders Silvio Berlusconi: Dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten und verurteilten Straftäter gelang gar das Kunststück, als meistgewählter italienischer Kandidat in die Volksvertretung der EU einzuziehen. Mehr als eine halbe Million Vorzugsstimmen konnte der 82-jährige Chef der rechtskonservativen Forza Italia für sich verbuchen. Und das praktisch ohne Wahlkampf: Wegen eines Darmverschlusses mit anschliessender Operation Anfang Mai musste er auf eine gross angelegte Kampagne verzichten. Zweifel liess Berlusconi allerdings zu keiner Zeit aufkommen: Bereits vor Monaten kaufte sich der siegessichere «Cavaliere» in Brüssel ein Haus.

Ein weiterer Altbekannter aus dem Süden wurde ebenfalls gewählt: Der Katalane Carles Puigdemont. Ob er sein Mandat antreten kann, ist allerdings unklar. Der Spitzenkandidat des Bündnisses Lliures per Europa (Frei für Europa), lebt im belgischen Exil. Das spanische Wahlrecht schreibt vor, dass EU-Abgeordnete zu Beginn ihres Mandats auf die Verfassung schwören müssen – und zwar in Madrid. Puigdemont würden wegen des Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens Festnahme und Prozess drohen.

Comedian aus der ZDF-«heute-show»

Während Berlusconi häufig eher unfreiwillig für komische Momente in der europäischen Politik sorgt, sind im neuen EU-Parlament gleich zwei vertreten, die das eigentlich hauptberuflich machen: Martin Sonneborn und neu auch Nico Semsrott. Ersterer hat in Deutschland mit seiner Satirepartei Die Partei mehr als zwei Prozent der Stimmen gewinnen können. Neben «Spitzenkandidat» Sonneborn hat auch der auf Listenplatz zwei stehende Comedian Semsrott beste Chancen, in den nächsten fünf Jahren als EU-Abgeordneter zu arbeiten. Semsrott ist aus der «heute-show» des ZDF bekannt.

Kurioses gibt es auch aus Grossbritannien zu berichten: Dort siegte Nigel Farage mit seiner neu gegründeten Brexit-Partei haushoch und kam mit 32 Prozent klar vor den regierenden konservativen Tories ins Ziel, die einstellig blieben. Ob des herausragenden Ergebnisses stellte Brexit-Hardliner Farage Forderungen: Bei den Verhandlungen um den britischen EU-Austritt dürfe seine Partei nun nicht aussen vor bleiben. So viel zu feiern wie Farage, Marine Le Pen, Matteo Salvini oder auch Viktor Orbán hatten andere rechte Gesinnungsgenossen indes nicht: Der Holländer Geert Wilders zum Beispiel erlebte ein Debakel, seine Partei schaffte es nicht ins Parlament.