Die neue Führung ringt um eine Regierung

Nach dem Umsturz in der Ukraine sind die neuen Machthaber uneins: Trotz des drohenden Staatsbankrotts haben sich die bisherigen Oppositionsgruppen noch nicht auf eine Übergangsregierung einigen können. Das Parlament hat die für gestern geplante Wahl auf Donnerstag verschoben.

Drucken
Maidan-Aktivisten ersetzen Sicherheitskräfte des Staates. Sie bewachen unter anderem das Regierungsgebäude in Kiew. (Bild: epa/Maxim Shipenkow)

Maidan-Aktivisten ersetzen Sicherheitskräfte des Staates. Sie bewachen unter anderem das Regierungsgebäude in Kiew. (Bild: epa/Maxim Shipenkow)

Nach dem Umsturz in der Ukraine sind die neuen Machthaber uneins: Trotz des drohenden Staatsbankrotts haben sich die bisherigen Oppositionsgruppen noch nicht auf eine Übergangsregierung einigen können. Das Parlament hat die für gestern geplante Wahl auf Donnerstag verschoben. Umstritten ist vor allem, welches Mitspracherecht die Aktivisten vom Kiewer Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, bekommen sollen. Die Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko forderte gestern erneut, Anführer der Strassenproteste müssten in die künftige Regierung eingebunden werden.

Die Maidan-Bewegung legte ihrerseits Bedingungen fest. «Jedes Kabinettsmitglied benötigt die Zustimmung des Maidan», hiess es in einer Erklärung, welche die Nachrichtenagentur Interfax publizierte. So dürften die 100 reichsten Ukrainer keine Regierungsposten erhalten. Mitglieder der bisherigen Regierung und der Präsidialkanzlei sollten keine Ämter erhalten.

Die Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen und zuständigen Komitees arbeiteten Tag und Nacht an der Regierungsbildung, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Spätestens am Donnerstag müsse ein «Kabinett des nationalen Vertrauens» stehen.

Klitschko will Präsident werden

Drei Monate vor der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl begann die Registrierung der Kandidaten. Oppositionsführer Witali Klitschko will antreten. «Ich bin völlig überzeugt davon, dass in der Ukraine die Spielregeln geändert werden müssen», sagte er. Es müsse Gerechtigkeit herrschen. «Ich weiss, dass dies möglich ist.» Trotz der Kandidatur scheint weiter denkbar, dass Klitschko auch einen Ministerposten in einer künftigen Übergangsregierung übernimmt. Auch Timoschenko hatte nach ihrer Haftentlassung vom Samstag eine Bewerbung für das Präsidentenamt angekündigt.

Weiterhin blieb unklar, wo sich der gestürzte Präsident Wiktor Janukowitsch aufhält. Das Parlament beschloss gestern, den 63-Jährigen im Falle einer Festnahme an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu überstellen.

Angeblich Blutbad geplant

Unterdessen ist angeblich bekannt geworden, dass die Demonstranten auf dem Maidan nur knapp einem Massaker entgangen sein sollen. Nach Dokumenten, die Journalisten zufolge in der bei Kiew gelegenen Residenz Janukowitschs gefunden wurden, wollte der Präsident die Demonstrationen mit einem Grosseinsatz Tausender Sicherheitskräfte gewaltsam niederschlagen. Nach den Plänen sollte der Maidan umstellt werden, Scharfschützen hätten das Feuer auf die Demonstranten eröffnen sollen.

Noch mehr Geld nötig

Die Ukraine braucht anscheinend noch weit mehr Geld als bislang gedacht. Die von Turtschinow genannten 35 Milliarden Dollar reichten kaum bis Jahresende, sagte der frühere Parlamentspräsident Arseni Jatsenjuk.

Um Finanzhilfe drehten sich auch Gespräche der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton in Kiew. Sie knüpfte diese an Bedingungen. So müsse zuerst eine Übergangsregierung gebildet werden. Notwendig sei auch ein mit internationalen Organisationen abgesprochener Wirtschaftsplan. Hilfreich sei eine Kombination von kurzfristigen Krediten und langfristigen Investitionen.

Unterstützung bei OSZE-Plänen

Auch Bundespräsident Didier Burkhalter hat gestern in Washington beim US-Ausschuss für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa besonderes Gewicht auf die Ukraine gelegt. Die Schweiz setze sich als Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für eine Beilegung der Gewalt und für eine alle Seiten befriedigende Lösung ein, sagte Burkhalter.

Auf die Frage des Co-Vorsitzenden der Kommission, Chris Smith, wie die USA der OSZE in ihren Bemühungen in der Ukraine helfen könnten, sagte Burkhalter: «Eine klare Unterstützung der OSZE-Pläne wäre sehr wichtig, um dem Ziel einer friedlichen Lösung Nachdruck zu verleihen.» (dpa/rtr/sda/red.)