Praktische alle Medien haben sich gegen Donald Trump ausgesprochen – und trotzdem wurde er gewählt. Medienwissenschaftler Roger Blum erklärt, wieso die Medien nur einen geringen Einfluss auf Wahlergebnisse haben - und weshalb Trump neben Abscheu auch eine grosse Faszination auf viele Medienschaffende ausübt.
Der Sieg von Donald Trump hat viele Facetten. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Medien – allen voran die amerikanischen Leitmedien. Die "New York Times", von vielen als wichtigste und beste Zeitung der Welt gerühmt, gab eine Wahlempfehlung für die Demokratin Hillary Clinton aus. Über den Republikaner Donald Trump schrieb sie, dieser sei der "schlimmste Kandidat, den eine grosse Partei in der modernen amerikanischen Geschichte hervorgebracht hat". Auch die renommierte Tageszeitung "Washington Post" sprach sich für Clinton und gegen Trump aus. Ausser dem konservativen TV-Sender "Fox News" hatte Donald Trump im Wahlkampf sämtliche wichtige US-Sender gegen sich.
Den Präsidenten Donald Trump verhindern konnte diese Phalanx indes nicht. Obwohl die meisten Medien am Tag der Wahl noch guter Dinge waren. Am Dienstag gab die "New York Times" Trumps Siegeschancen noch mit 16 Prozent an. Kontinuierlich musste die Zeitung ihre Prognose in der Wahlnacht nach oben anpassen – bis Trumps Siegeschancen am frühen Mittwochmorgen schliesslich bei 95 Prozent waren. Haben die Medien im US-Wahlkampf versagt?
"Nicht unbedingt", findet Roger Blum. Der ehemalige Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bern und jetzige SRG-Ombudsmann glaubt: "Der Einfluss der Medien in Situationen, die wie der US-Wahlkampf sehr emotional sind, wird überschätzt." Einfluss auf die Meinung der Konsumenten habe die Presse vor allem bei technischen Sachfragen wie etwa bei Bauprojekten, nicht aber bei Wahlkämpfen.
"Bei Wahlkämpfen geht es meist um verfestigte Werthaltungen. Diese können Medien nur langfristig abbauen", so Blum. Während eines Wahlkampfes sei eine Änderung von festen Meinungen bei den Medienkonsumenten kaum möglich. Verzichten auf Meinungsbeiträge sollte die Presse nicht, findet Blum.
"Medien haben zwei Aufgaben: Einerseits geben sie die Realität wieder, andererseits äussern sie ihre Meinung." Zweiteres sei wichtig für Konsumenten, die ihre Meinung immer noch über klassische Medien bildeten. Ein neues Phänomen sei der geringe Einfluss der Presse nicht, so Roger Blum. "Seit dem Ende der Parteizeitungen, das in den USA noch früher als in der Schweiz kam, ist er zurückgegangen."
Doch wie konnte es dazu kommen, dass kaum ein Medium einen Sieg von Trump auf der Rechnung hatte? Roger Blum nimmt hier auch die Demoskopen in die Verantwortung. "Es gab fast keine Umfrage, die Trump vor Clinton sah", so Blum. Hierbei spiele sicher auch eine Rolle, dass viele Befragte sich nicht trauten zu sagen, dass sie Trump unterstützen. Das ist ein bekanntes Phänomen, das auch Journalisten bei ihren Prognosen hätten berücksichtigen können. "Hier war wohl der Vater Wunsch des Gedankens. Journalisten tendieren dazu, Fakten in ihrem Sinne zu interpretieren", sagt Blum. Hinzu komme das Phänomen der sogenannten Filterblasen in den sozialen Medien. "Twitter etwa wird von vielen Journalisten genutzt. Je nachdem wem man dort folgt, ist das darin abgebildete Meinungsspektrum ziemlich schmal."
Die Medien stehen auch in der Kritik, weil sie viel über Trump berichteten. Laut Roger Blum befinden sie sich hier in einer schizophrenen Situation: "Donald Trump ist journalistisch eine interessante Figur, Trump ist Boulevard. Es ist klar, dass Medien, die auf Reichweite und Quote angewiesen sind, über ihn berichten."
Andererseits zeige gerade das Beispiel der Schweiz, dass auch negative Berichterstattung den kritisierten Protagonisten helfen kann. "Seit den eidgenössischen Wahlen 1999 wird mit Abstand am meisten über die SVP und Christoph Blocher berichtet, und das oft in einem negativen Zusammenhang." Trotzdem wurde die SVP in dieser Zeit immer stärker. Ähnlich verhalte es sich mit Trump, so Blum.
Blum glaubt nicht, dass sich die Medien zu stark von der Bevölkerung entfernt hätten. Medien hätten die Aufgabe, die Sorgen der Bevölkerung seismografisch aufzunehmen. Das bedeute aber nicht, dass man der Bevölkerung oder den Politikern und ihren Rezepten für die Bekämpfung dieser Probleme Recht geben müsse. "Wenn ein Journalist findet, etwas ist falsch, dann muss er journalistisch aufzeigen, wieso es falsch ist." Man müsse sich vergegenwärtigen, was Trump für eine Figur sei, sagt Blum. "Er hat keine Erfahrung als Politiker, beleidigt Minderheiten und Frauen. In solchen Situationen müssen Medien Verantwortung übernehmen.