Schon oft kämpften die deutschen Liberalen um ihre Existenz. Doch seit gut einem Jahr stehen sie am Abgrund. Kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen keimt aber Hoffnung auf.
BERLIN. Wolfgang Kubicki lacht selten und lächelt oft. Der erfolgreiche Kieler Rechtsanwalt ist seit vielen Jahren einer der profiliertesten Köpfe der FDP, doch zu ihrem Aushängeschild mochte die Partei ihn nie machen.
Vor etwa einem halben Jahr hat sich das geändert. Plötzlich galt der scharfzüngige, notorische Parteikritiker als Hoffnungsträger der Liberalen, die Kubicki zum Unmut der Parteispitze schon 2010 in den letzten Zügen sah und Parallelen zur Spätphase der DDR zog.
Die düstere Vorhersage schien sich in der Folge zu bewahrheiten. Die FDP sackte förmlich in sich zusammen. Die Ablösung von Guido Westerwelle als Parteichef brachte nichts, auch darum nicht, weil der neue Vorsitzende Philipp Rösler sich weder in diesem Amt noch als Gesundheitsminister profilieren konnte. Anfang März noch sah das Meinungsforschungsinstitut Forsa die FDP in Schleswig-Holstein bei 2 Prozent, und fast zeitgleich startete Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki durch. Er streifte die Rolle des scharfsinnigen Kritikers ab und verbündete sich mit Christian Lindner, der für die Liberalen in Nordrhein-Westfalen die Kohlen aus dem Feuer holen soll.
In dieser Situation muss Kubicki sich entschlossen haben, künftig politische Schachpartien nicht nur brillant zu analysieren, sondern selbst zu spielen – das Matt der FDP vor Augen.
Wolfgang Kubicki gelang es in wenigen Wochen, die Umfragewerte der Liberalen in Schleswig-Holstein auf 7 Prozent hochzustemmen. Gleichzeitig ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Emnid in Nordrhein-Westfalen für die Liberalen erstmals wieder jene 5 Prozent, die man erreichen muss, um in den Landtag einzuziehen. Mitte März kam die FDP in NRW ebenfalls nur auf 2 Prozent.
Die Aufholjagd der FDP im Abstiegskampf ist umso erstaunlicher, als die Piraten in beiden Bundesländern laut Umfragen bei 9 Prozent liegen – also auch dort Triumphe feiern werden. Punkte abgeben mussten dafür SPD, Grüne und Linke. In Schleswig-Holstein muss die Linke mit einem Debakel rechnen bei Umfragewerten von 2,5 Prozent. Die Ankündigung, in einem «Nachtwahlkampf» das Blatt doch noch zu wenden, klingt nach Torschlusspanik, bei aller Originalität der Idee: Ab Freitagmorgen will die Linke bis zur Öffnung der Wahllokale am Sonntag wahlkämpfen, pausenlos, so der Parteisprecher – in Gaststätten, Grossmärkten und Bahnhöfen. Gregor Gysi soll helfen, Parteichef Klaus Ernst und andere linke Promis werden eingespannt.