In seiner Rede an die Nation verspricht Wladimir Putin höhere Renten, schnelleres Internet, bessere Häuser – und warnt die USA vor weiterer Konfrontation. Doch der Unmut der Bürger wächst, die Zustimmungswerte für den Präsidenten sinken.
Nach knapp einer Stunde widmet sich Wladimir Putin doch noch kurz dem Thema, das bereits vor Jahren ins Zentrum russischer Aussenpolitik gerückt ist: Sein Land sieht er von allen Seiten bedroht, seine Heimat will er verteidigen. Und sei es mit Überschallraketen. Vor allem die USA verhielten sich unehrlich, konstatierte Putin in seiner gestrigen Rede an die Nation.
Deren «Satellitenstaaten grunzen ihnen auch noch etwas vor. Selbst brechen die Amerikaner alles, und dann beschuldigen sie natürlich uns», setzt er an und nimmt Bezug auf den Ausstieg der USA aus dem INF-Abrüstungsvertrag, der den Besitz landgestützter atomarer Mittelstreckenwaffen mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern untersagt. «Die Verschärfung der Lage liegt nicht in unserem Sinne», sagt Putin vor mehr als 1000 Würdenträgern aus Politik, Wirtschaft und Religion. Washington pflege in Sicherheitsfragen eine zerstörerische, fehlerhafte Haltung. «Das führt zu einer ernsten Bedrohung für Russland», sagt er und betont: «Wir werden uns wehren.»
Mit seinen Raketen werde Russland dabei nicht nur mögliche Stationierungspunkte – in Polen oder Rumänien etwa – ins Visier nehmen, sondern auch die Zentralen jener Länder, in denen die Entscheidungen getroffen würden. Bereits in diesem Frühjahr, so das 66-jährige Staatsoberhaupt, werde Moskau das erste Atom-U-Boot mit dem unbemannten Waffensystem «Poseidon» zu Wasser lassen. «Wir brauchen Frieden.»
Mit der grossen Rede an die Nation – so steht es in der russischen Verfassung – wendet sich der Präsident einmal im Jahr an die beiden Kammern des russischen Parlaments und legt Rechenschaft über sein politisches Handeln ab. Die Rede, die die Russen schlicht «Botschaft» nennen, nutzt Putin dieses Mal vor allem, um «den Menschen in den Vordergrund» zu stellen, wie er sagt. Die Zustimmungswerte für den Präsidenten waren in den vergangenen Monaten immer weiter gefallen. Die Erhöhung des Rentenalters und auch der Mehrwertsteuer sowie die sinkenden Einkommen passen nicht ins aufpolierte Bild, das durch das staatlich gelenkte Fernsehen den Menschen täglich präsentiert wird. Der Unmut der Bürger wächst wie auch ihre Ohnmacht. Dem begegnet Putin mit seiner eigenen Logik. «Wir haben kolossale finanzielle Ressourcen, wir haben eine Masse konkreter Aufgaben. Wir werden nicht auf die helle Zukunft warten, wie es der Kommunismus prophezeit hatte. Wir müssen jetzt ran.»
Bevor er rund 20 Minuten lang die USA abkanzelt, malt er ein dynamisches Bild in Russlands Wirtschafts- und Sozialpolitik. Er verspricht höhere Renten, höheres Kindergeld, effektivere Medizin, geringere Steuern, mehr Rechtssicherheit und ein besseres Investitionsklima. Familien sollen Direkthilfen erhalten, für Landärzte und Dorfschullehrer sollen Zusatzangebote winken. «Wir haben dieses Geld», sagt er.
Woher, sagt er nicht. Er will gegen Armut ankämpfen, das Müllentsorgungsproblem im Land lösen, die Infrastruktur verbessern und mehr in künstliche Intelligenz investieren. Er will all das tun, was bereits in den sogenannten «Nationalen Projekten» von 2018 verzeichnet ist. «Wir werden bestimmt erfolgreich sein», so Putin. Der Satz klingt nach jener hellen Zukunft, wie sie im Kommunismus gepredigt worden war.