Bei der Europawahl konnten die Rechtspopulisten in einigen Ländern deutlich zulegen, darunter vor allem in Frankreich, Grossbritannien und Italien. Dort punktete die fremdenfeindliche Lega von Innenminister Matteo Salvini mit einem scharfen Anti-Migrations-Kurs.
Lega 34 Prozent, Fünf Sterne 17 Prozent: So präsentieren sich die definitiven Resultate der beiden italienischen Regierungsparteien bei den Europawahlen 2019. Bei den Parlamentswahlen vom März 2018, also vor nur gerade 15 Monaten, war das Kräfteverhältnis noch umgekehrt gewesen: Lega 17 Prozent, Fünf Sterne 32 Prozent. Aufgrund der Umfragen kam dieses Resultat zwar nicht überraschend. Aber spektakulär ist es trotzdem: Einen derartigen Umsturz bei der Wählergunst der Regierungsparteien in so kurzer Zeit hat es in der gesamten Geschichte der italienischen Republik noch nie gegeben.
In Rom sind sich die Beobachter einig: Das Resultat der Europawahl kann für die Regierung nicht ohne Folgen bleiben. Matteo Salvini war schon bisher der starke Mann der Regierung gewesen – und mit den 34 Prozent der Europawahl im Rücken wird der «Capitano» erst recht zum unangefochtenen Dominator. Der farb- und parteilose Premier Giuseppe Conte, der bisher versucht hatte, einen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der Koalitionspartner zu suchen, wird in Zukunft nicht einmal mehr diese Vermittlerrolle ausfüllen können. Doch vorläufig dürfte er wenigstens seinen Posten behalten: Salvini versicherte am Montag, dass er und die Lega nicht auf neue Sessel in der Regierung aus seien und er Innenminister bleiben werde.
Der Lega-Chef wird als Innenminister die politische Agenda der Regierung bestimmen – und er hat den neuen Tarif auch umgehend durchgegeben: «Ich freue mich, dass die Wähler unsere Partei prämiert hat. Das gibt uns mehr Kraft, um einige Dinge anzupacken, etwa die Erneuerung der Infrastrukturen und die Pauschalsteuer», erklärte Salvini noch am Wahlabend.
Die unerfahrenen «Grillini» wurden abgestraft, weil sich ihr wichtigstes Wahlversprechen, das bedingungslose Grundeinkommen, als Mogelpackung erwiesen hat: Es ist alles andere als bedingungslos und liegt fast immer weit unter den versprochenen 780 Euro pro Monat. Das und mehr hat die Protestbewegung massenhaft Stimmen gekostet. Innenminister Salvini und Arbeits- und Wirtschaftsminister Luigi Di Maio von der Protestbewegung, haben am Montag zwar versichert, dass ein Bruch der Koalition nicht in Erwägung gezogen werde. Doch der gedemütigte und intern unter grossen Druck geratene Di Maio wird sich der Frage stellen müssen, ob die Zusammenarbeit mit dem triumphierenden Salvini die Protestbewegung nicht noch vollends in die politische Bedeutungslosigkeit führen wird. Denn der Lega-Chef hat einige Projekte angekündigt, die in den Augen der Fünf Sterne inakzeptabel sind.
Das Problem Di Maios besteht darin, dass die «Grillini» keine Option auf eine alternative Regierungskoalition besitzen. Ganz anders Salvini: Silvio Berlusconis Forza Italia ist bei der Europawahl auf knapp 9 Prozent gekommen, die postfaschistischen Fratelli d’Italia konnten sich auf 6,5 Prozent steigern. Zusammen erhielt das Rechtslager also beinahe 50 Prozent der Stimmen. In den kommenden Wochen wird man sehen, ob Salvini den Sirenenklängen seiner potenziellen neuen Koalitionspartner erliegen wird.