Lange hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nach den Bluttaten der vergangenen beiden Wochen Zeit gelassen: Gestern verurteilte sie nun die Terroranschläge und den Amoklauf in Bayern und kündigte einen Plan für mehr Sicherheit in Bayern an.
BERLIN. Angela Merkel hat ihn gestern wieder gesagt – ihren legendären Satz, den sie Ende August des letzten Jahres geprägt hatte: «Wir schaffen das», erklärte die Kanzlerin gestern vor Journalisten. «Ich bin heute wie damals davon überzeugt, dass wir es schaffen, unserer historischen Aufgabe – und dies ist eine historische Probe – gerecht zu werden. Wir schaffen das.» Es war Merkels erster, mit viel Spannung erwarteter öffentlicher Auftritt nach den Attentaten von Würzburg und Ansbach und dem Amoklauf von München.
Nur: Anders als im August vor einem Jahr, als die Flüchtlingskrise ihrem Höhepunkt zusteuerte, vermochte ihre gestrige Rede nicht so richtig zu zünden. Natürlich, Merkel verurteilte die islamistisch motivierte Gewalt von Würzburg und Ansbach von voriger Woche mit deutlichen Worten. Freilich kündigte sie an, die Bevölkerung zu schützen, die Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen. Doch es war ein irgendwie zu typischer Merkel-Auftritt, nach einer Woche des Schweigens und angesichts der Tragweite der Ereignisse.
Pragmatisch und mit gewählten Worten sprach sie darüber, dass Deutschland vom islamistisch motivierten Terror getroffen worden sei und die Menschen verunsichert seien, wenn sie eine U-Bahn benutzten oder in einem Strassencafé sässen. Viele Deutsche hätten sich aber wohl einen Auftritt der Kanzlerin am Ort des Geschehens gewünscht – in Ansbach, in München oder in Würzburg.
Merkels Auftritte sind zwar selten von Esprit geprägt, ihr zu unterstellen, sie verkenne die Lage, wäre aber falsch. Gestern präsentierte die Regierungschefin einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit im Land. Sie bezeichnete die Axt-Attacke von Würzburg und den ersten islamistisch motivierten Selbstmordanschlag in Ansbach als «erschütternd, bedrückend und deprimierend» und versprach, dass die Hintermänner aufgespürt würden, um diese «ihrer Strafe zuzuführen». «Die beiden Flüchtlinge, die die Anschläge begangen haben, verhöhnen das Land, das sie aufgenommen hat. Das stellt uns auf die Probe, es stellt auf die Probe, was unsere Art zu Leben bestimmt. Terroristen säen Hass und Angst zwischen Kulturen und Religionen. Dem stellen wir uns klar entgegen.»
Die Kanzlerin machte mit ihrem Neun-Punkte-Plan deutlich, dass sie die Sicherheit durch weitere Verschärfungen der Antiterrormassnahmen erhöhen will. Ein Frühwarnsystem soll die Gefahr von bislang unauffälligen Tätern vorzeitig entdecken; eine neue Behörde für Informationstechnik soll helfen, verdächtige Internetkommunikation zu entschlüsseln. Zudem sollen personelle Massnahmen die Sicherheitskräfte verstärken und ein europäisches Waffenrecht soll den Onlinehandel mit Schusswaffen verbieten.
Merkel verteidigte aber die Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge und wies den Vorwurf zurück, ihre «Willkommenskultur» sei für die Terrortaten mitverantwortlich. «Ich stehe zu den Grundsatzentscheidungen, die wir getroffen haben.» Deutschland bleibe sich aber treu: «Wir geben denen, die politisch verfolgt sind Asyl, und denjenigen, die vor Krieg und Vertreibung fliehen Schutz.»
Sie räumte allerdings ein, dass die Aufnahme vieler Flüchtlinge auch Risiken berge. Es sei spätestens seit den Anschlägen von Paris klar, dass der «Islamische Staat» Fluchtrouten genutzt habe, um «terroristische Kräfte einzuschleusen». Als Bundeskanzlerin «muss ich immer abwägen, ob eine Entscheidung unseren Werten entspricht – das heisst nicht, dass es keine Risiken gibt».
Sie räumte auch ein, dass ihre Politik für das Erstarken der rechtspopulistischen Alternativen für Deutschland (AfD) mitverantwortlich sein könnte. «Natürlich haben die Entscheidungen der Bundesregierung auch Gegenreaktionen hervorgerufen.» Sie werde alles dafür tun, um jene Menschen, die sich heute von der Politik unverstanden fühlten, wieder abzuholen. Viele Menschen in Deutschland seien wegen der Ereignisse verunsichert. «Das ist etwas, was an den Kern der Gesellschaft geht.» Nun gehe es darum, das Vertrauen wieder herzustellen.
Am Sonntag wird Merkel zur Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufs von München reisen. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Kanzlerin angesichts der turbulenten letzten Jahre nicht allmählich amtsmüde sei, sagte Merkel, sie sei sicherlich nicht «unter-ausgelastet», von Erschöpfung allerdings könne keine Rede sein.