In Tschetschenien ist gestern Natalia Estemirowa, Leiterin des Büros der Menschenrechtsorganisation Memorial, ermordet worden.
Moskau. Der Leichnam der Menschenrechtlerin wurde in der Nachbarrepublik Inguschetien gefunden, nachdem die Frau vor ihrem Haus in Grosny von Unbekannten in ein Auto gezerrt worden war. Natalia Estemirowa hatte in den vergangenen Wochen mehrfach erklärt, seit der offiziellen Beendigung der sogenannten Antiterrormassnahmen nähmen in Tschetschenien Entführungen wieder zu.
Im April hatte Moskau sein Sonderregime in Tschetschenien aufgehoben. Damit ging die Verantwortung für Recht und Ordnung in der Republik an örtliche Behörden über. Tschetscheniens Präsident Kadyrow geniesst als Statthalter Moskaus grosses Vertrauen im Kreml. Er herrscht wie ein Sultan und versucht seinen Machtbereich auf andere Kaukasusrepubliken auszuweiten.
Die Arbeit der Menschenrechtlerin war den Machthabern in Grosny schon lange ein Dorn im Auge. Sie hatte Menschenrechtsverletzungen aller Konfliktparteien festgehalten. Anfang dieser Woche veröffentlichte Estemirowa einen Bericht, wonach Mitarbeiter der tschetschenischen Sicherheitsdienste das Haus der Familie Junusow angezündet hatten, weil die Tochter mit einem islamistischen Rebellen verheiratet war. Der Mann war Anfang Juli getötet worden.
Natalia Estemirowa war mehrfach ausgezeichnet worden: 2005 mit dem Robert-Schumann-Preis des EU-Parlaments und 2007 mit dem Anna-Politkowskaja- Preis.
Klaus-Helge Donath