Bei aller Knappheit ein Votum gegen rechts

War das eine Zitterpartie um die Zukunft Österreichs! Österreicherinnen und Österreicher wollen keinen Präsidenten haben, hinter dessen freundlicher Fassade sich ein rechter Antieuropäer und deutschnationaler Burschenschafter mit autoritären Ansichten versteckt.

Rudolf Gruber
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War das eine Zitterpartie um die Zukunft Österreichs! Österreicherinnen und Österreicher wollen keinen Präsidenten haben, hinter dessen freundlicher Fassade sich ein rechter Antieuropäer und deutschnationaler Burschenschafter mit autoritären Ansichten versteckt. Sie wollen einen Staatsmann, der für ein offenes, europafreundliches Österreich steht und für den man sich im Ausland nicht schämen muss.

Ausgerechnet die Österreicher, die den Rechtspopulisten in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Triumphe beschert haben, fügten ihnen jetzt einen harten Rückschlag zu. Da erzielt Norbert Hofer für die rechte FPÖ ein Rekordergebnis, und es reicht doch nicht, um Präsident zu werden. Der knappe Sieg Alexander van der Bellens beweist also, dass der Aufstieg der rechtspopulistischen Volksverführer und Vereinfacher nicht unaufhaltbar ist.

Das Ergebnis ist, bei aller Knappheit, ein Votum gegen rechts. Und es hat Signalwirkung weit über das Land hinaus: Österreich ist haarscharf an der zweifelhaften Ehre vorbeigeschrammt, das erste westliche EU-Land mit einem Rechtspopulisten als Staatsoberhaupt zu werden. Die FPÖ und ihr Anführer Heinz-Christian Strache wähnen sich schon lange als Speerspitze einer «rechtspopulistischen Revolution», die von Polen und Ungarn auch in den Westen der EU überschwappt, mit Österreich als Brückenbauer in der Mitte.

Doch hat die FPÖ vorerst nur eine Schlacht verloren. Jetzt beginnt ihr Feldzug ums Kanzleramt: Sie wird jetzt den innenpolitischen Druck massiv erhöhen, um Neuwahlen herbeizuzwingen. Dem erst während der beiden Wahlgänge ins Amt gekommenen neuen Kanzler Christian Kern sollen nicht einmal die zwei Jahre bis zur nächsten Wahl gegönnt werden, sich zu profilieren. Kern braucht schnelle Erfolge, um den Stillstand zu überwinden. Er braucht seine ganzen Führungsqualitäten, um die drängenden Reformen – Arbeitsmarkt, Bildung, Gesundheit, Pensionen – umzusetzen, ohne der Strache-Partei weitere enttäuschte Wähler in die Arme zu treiben.

Österreich hatte in dieser Präsidentschaftswahl viel Glück. Eine spektakuläre Begleiterscheinung war der Sturz von Kanzler Werner Faymann, eine Folge der krachenden Niederlagen der rot-schwarzen Koalitionskandidaten im ersten Durchgang der Präsidentenwahl. Wäre die alte Regierung im Amt geblieben, wäre Hofer mit klarem Sieg Präsident geworden. So aber bekam das rot-schwarze System, von vielen Kommentatoren bereits abgeschrieben, noch eine allerletzte Chance. Die sollte nicht verspielt werden.

ausland@tagblatt.ch