Mauern und Grenzen feiern eine Auferstehung. Die einen rufen harsche Reaktionen hervor, andere werden kaum beachtet. Etwa die türkische Mauer gegen Syrien.
Walter Brehm
290 Kilometer sind vollendet. Seit 2014 baut die Türkei an einer Grenzmauer zum Bürgerkriegsland Syrien. Der Bau soll 2018 fertiggestellt sein und sich über 511 Kilometer Grenze hinziehen.
Mauern sind derzeit ein globales Medienthema. Über den Bauherrn Donald Trump, der eine Mauer zwischen den USA und Mexiko plant, ist die Empörung in Europa gross. Selbst Bauherren von Grenzwällen kritisieren die USA scharf. So hat der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim erklärt: «Ihr baut Mauern, aber Mauern sind nie eine Lösung. Sie werden irgendwann eingerissen, so wie die Berliner Mauer.» Wohl wahr und gut gebrüllt, Löwe, ist man versucht zuzustimmen, wären die Herren Yildirim und Erdogan nicht selber Mauerbauer.
Die türkische Mauer soll den Schmuggel, den Terrorismus und die illegale Migration aus Syrien stoppen. So die offizielle Begründung. Ein Polemiker, wer Ankara vorwerfen würde, es gehe auch darum, die kurdische Bevölkerung beidseits der türkisch-syrischen Grenze endgültig zu trennen. Zumindest fehlt dieses Motiv in den türkischen Erklärungen.
Es ist auch nicht nötig. Vor allem Regierungen der 28 EU-Staaten haben wiederholt schärfere Kontrollen dieser Grenze gefordert. So kann die türkische Staatsmacht ihr Mauerprojekt letztlich als Folge des europäischen Drucks auf die Türkei darstellen. Zumindest aber wirkt deshalb die Distanzierung der EU-Aussenbeauftragten Federica Mogherini von den US-Plänen etwas seltsam: «Wir glauben nicht an Mauern.» Vor allem befremdet sowohl der Hinweis von Premier Yildirim auf die Berliner Mauer als auch die europäische Haltung schon deshalb, weil sich das türkische Mauerprojekt in einem Punkt fatal nach dem Vorbild des «Antifaschistischen Schutzwalls» der DDR richtet. Wie damals an der deutsch-deutschen Grenze sind entlang der türkischen Mauer Selbstschussanlagen montiert. So spart man Personal – und nimmt Todesopfer in Kauf. Und Opfer werden wohl auch beim von der Regierung nicht genannten «kurdischen Motiv» für die türkische Mauer in Kauf genommen.
Bisher gab es einen regen Warenhandel im Grenzgebiet zu Syrien, das identisch ist mit dem kurdischen Siedlungsgebiet dort. Dieser Handel war oft die einzige Einkommensquelle für Familien beidseits der Grenze. Hinzu kommt ihre Angst vor militärischer Gewalt. Bei den Bauarbeiten an der Mauer kommt es zu Grenzverletzungen, da die türkischen Bagger unter dem Schutz der türkischen Armee immer wieder auf syrisches Territorium vordringen. Die von Kurden und syrischen Rebellen gestellte autonome Verwaltung der nord-syrischen Föderation erklärte dazu: «Die Mauer ist kein Grenzschutz, sondern eine Verletzung der Souveränität des Volkes – eine Mauer der Schande.»
Und wie in den USA die Regierung Trump. stützt sich die türkische Regierung bei ihrem Mauerprojekt auch auf die Unterstützung rechtsradikaler Nationalisten. Die unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Mauerprojekte wirkt umso störender, liest man ein weiteres Zitat des türkischen Premiers Yildirim: «Meine nationalistischen und idealistischen Freunde sagen ‹Vaterland und Volk zuerst›. Deshalb haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht. Das dürfen wir nicht vergessen.» Das klingt wie ein Echo aus dem Büro des US-Chefstrategen Steve Bannon, der sich ebenfalls nicht scheut, die extreme Rechte für das «America first» seines Präsidenten zu mobilisieren – nur dass die türkische Variante in Europa eben kaum zu Protesten führt.