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Nach zwei Wochen pausiert seit Freitag der Prozess gegen Kickboxer Paulo Balicha und seine Schlägerbande. Diese acht Punkte sind uns in Erinnerung geblieben.
Kaum einer der 16 Männer, welche die letzten zwei Wochen über im Gericht sassen, weil sie im Frühjahr 2014 zusammen das Trainingscenter von Shemsi Beqiri überfallen haben sollen, wirkte besonders beeindruckt vom Prozess. Weder von den drohenden Strafen noch dem Grossaufgebot an Polizisten. Diese verbrachten im Übrigen die meiste Zeit ohnehin im Warteraum. Ausser einem Wasserspritzer, den ein Fotograf am Eröffnungstag von einem Angeklagten abbekam, blieb es die gesamte Verhandlung über ruhig.
Das gilt aber nur für die Anklagebank. Denn in den hinteren Reihen reizten die Anwälte alle Möglichkeiten aus. In schöner Regelmässigkeit beklagten sie eine unfaire Prozessführung, forderten den Abbruch der Verhandlung und deckten das Gericht mit Anträgen ein. Der Gipfel der Absurdität: Einer der Verteidiger beantragte, das Gericht solle bei H&M nachfragen, wie oft die Hose verkauft wurde, welche auf dem Video des Überfalls zu sehen war und seinem Mandanten zugeordnet wurde. Doch auch die Gegenseite bekleckerte sich nicht gerade mit Ruhm. Beqiris Anwalt liess vor seinem Plädoyer erst einmal alle Anwesenden zwei Stunden warten, nur um dann vom Gericht einen Rüffel zu kassieren, weil er seinen dreiminütigen Vortrag im Polohemd und nicht wie üblich im Anzug hielt.
Zur Komplexität des Falles trugen auch die Staatsanwaltschaft und das Gericht bei. Aussergewöhnlich grosse Anteile der Akten wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geschwärzt. Das brachte die Anwälte mehrfach auf die Palme.
Schon während der langjährigen Strafuntersuchung stand der zuständige Staatsanwalt Stefan Fraefel in der Kritik. Vor Gericht tauchte er überraschend gar nicht erst auf. Er ist seit Monaten krankgeschrieben. Was Fraefel aber nicht davon abhält, im Liestaler Einwohnerrat weiterhin als Präsident zu amten, wie ein Verteidiger aufdeckte. Vielsagend darauf die Antwort von Boris Sokoloff, Fraefels Chef, der ihn am Prozess vertrat. «Schwarze Schafe» gebe es überall, habe er laut «20 Minuten» geantwortet.
Als Nebenpunkt wurde einem der Angeklagten vorgeworfen, dass er einer der Hooligans gewesen sei, die sich nach dem FCB-Match gegen Zürich vor zwei Jahren Scharmützel mit der Polizei geliefert haben. Er ist der Erste aus einer Reihe von FCB-Fans, die sich wegen den schweren Ausschreitungen verantworten müssen.
Der Hauptangeklagte Paulo Balicha ist in einem Nebenpunkt wegen Verstosses gegen das Eidgenössische Sportfördergesetz angeklagt. Er hatte knapp 100 Ampullen Steroide aus Thailand importiert. Diese erwiesen sich bei einer Laboruntersuchung allerdings als plumpe Fälschungen.
Dadurch, dass viele Punkte ungeklärt blieben, brodelte die Gerüchteküche: So kursierte sogar die Geschichte eines Auftragkillers, der Beqiri hätte töten sollen.
Drei Jahre Gefängnis, davon eines unbedingt, verlangt die Baselbieter Staatsanwaltschaft für den Haupttäter Paulo Balicha. Das Strafmass bei den mutmasslichen Mitgliedern der Schlägerbande schwankt zwischen 18 Monaten und 2,5 Jahren. Bei vier weiteren Angeklagten wurden ebenfalls unbedingte Freiheitsstrafen verlangt. Die Verteidiger fordern grossteils Freisprüche. Die Urteile werden am 20. September bekannt gegeben.
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