Waldenburg
Das mittelalterliche Stadttor darf nicht verändert werden

Im denkmalgeschützten Törli wollte die Bürgergemeinde Waldenburg ein Heimatmuseum einrichten. Das kann sie – vorerst – nicht: Der dazu nötige Durchbruch einer mittelalterlichen Mauer sei nicht statthaft, urteilte das Baselbieter Kantonsgericht.

Hans-Martin Jermann
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Das mittelalterliche Törli von Waldenburg hat keinen öffentlich zugänglichen Eingang. Und das bleibt vorerst so.

Das mittelalterliche Törli von Waldenburg hat keinen öffentlich zugänglichen Eingang. Und das bleibt vorerst so.

Kenneth Nars

Umbauprojekte von denkmalgeschützten Gebäuden sorgen im Baselbiet in regelmässigen Abständen für ideologisch aufgeladene Debatten. Mit einem besonders kniffligen Fall an einem bekannten Objekt hatte es gestern das Kantonsgericht zu tun: Im oberen Stadttor von Waldenburg – es gilt als eines der bedeutendsten mittelalterlichen Bauwerke im Landkanton – und einem angrenzenden Wohnhaus will die Bürgergemeinde ein Heimatmuseum einrichten.

Bereits im März 2008 reichte sie ein Baugesuch ein. Nun, nach fast zehnjährigem juristischen Hin und Her, herrscht zumindest in einem Punkt Gewissheit: Gestern hiess das Gericht eine Beschwerde der kantonalen Kommission für Denkmal- und Heimatschutz gut. Das Baugesuch der Bürgergemeinde ist also vom Tisch. Ob es zugleich das Ende jeglicher Ausbaupläne bedeutet, bleibt offen.

«Mehr Schutz geht fast nicht»

Hauptstreitpunkt war der vorgesehene Mauerdurchbruch, der einen Zugang vom benachbarten Wohnhaus in den Turm herstellen sollte. Beide Gebäude befinden sich im Eigentum der Bürgergemeinde. Kurioserweise ist das Innere des Wehrturms heute aber nur via das Schlafzimmer einer auf der anderen Seite gelegenen Privatliegenschaft zu erreichen; der Turm verfügt über keinen separaten Eingang.

Dass die Bürgergemeinde eine mittelalterliche Mauer durchbrechen will, stösst auf heftige Gegenwehr des Denkmalschutzes. Das obere Tor von Waldenburg aus dem 13. Jahrhundert befindet sich im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz, ist kantonal geschützt und zudem in der Kernerhaltungszone der Gemeinde als geschützte Baute ausgewiesen. «Mehr Schutz geht fast nicht», sagte Balthasar Settelen, Anwalt der kantonalen Denkmalschutzkommission.

Der Durchgang führe zu einer «irreversiblen Zerstörung» des Mauerwerks und verändere den Charakter des Turms stark. Die Tür würde einen Bezug zum Wohnhaus herstellen, der historisch nicht belegt sei, zitierte Settelen aus dem eigens angefertigten Gutachten der eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege. Er sei überzeugt, dass es in Waldenburg grössere und geeignetere Liegenschaften für ein solches Museum gebe. Die Platzverhältnisse sind eng, die Räume klein. Dies lässt sich auch mit einem Umbau nicht ändern.

Demgegenüber argumentierte der Anwalt der Bürgergemeinde, Manfred Bayerdörfer, dass die Unterschutzstellung des Turms nicht bedeuten könne, dass nur reversible Eingriffe erlaubt seien. «Das wäre zu dogmatisch und unverhältnismässig», sagte er. Schliesslich sei auch der Wehrturm von Waldenburg kein Bauwerk aus einem Guss, sondern über die Jahrhunderte immer wieder verändert worden. Die Baurekurskommission (BRK) hatte im Vorfeld das Baugesuch zwar wegen Mängeln abgelehnt, im Grundsatz aber die Möglichkeit bejaht, die Mauer zu durchbrechen. Schliesslich könne die bessere Zugänglichkeit des Turms zur Sensibilisierung der Bevölkerung beitragen, solche Denkmäler zu erhalten.

Private Interessen der Bürgergemeinde?

Das Kantonsgericht hat den Kompromiss der BRK nun aufgehoben. Dieser sei wohl gut gemeint gewesen, aber halte einer juristischen Überprüfung nicht stand. Gemäss kantonalem Denkmalschutzgesetz ist es verboten, Denkmäler in ihrem Bestand zu gefährden oder in ihrer Wirkung und ihrem Wert zu beeinträchtigen. Letzteres wäre bei einem Durchbruch der Mauer wohl der Fall, argumentierte der referierende Kantonsrichter Markus Clausen. Komme hinzu, dass es kaum dabei bleiben würde: Das Baugesuch sehe den Einzug neuer Böden, die Isolation der Wände und die Verglasung von Fensteröffnungen vor.

Der Grundsatz, wonach sich eine Nutzung am Substanzerhalt orientieren müsse, werde hier verletzt. Das öffentliche Interesse am Erhalt des Turms sei höher zu gewichten als das Interesse, ein Museum zu errichten. Dies auch deshalb, weil nicht klar sei, was in dem Museum genau gezeigt werden soll und wer davon profitiere. Einige Richter sprachen denn auch von «privaten Interessen» der Bürgergemeinde.

Das Gerichtsurteil fiel denn auch einstimmig. Allerdings: Richter Stefan Schulthess verneinte ein absolutes Schutzbedürfnis für den Turm und widersprach damit der Ansicht des Denkmalschutzes. Die Verhältnismässigkeit sei immer zu prüfen. Niklaus Ruckstuhl betonte, dass «der Entscheid nicht bedeutet, dass es gar kein bewilligungsfähiges Bauprojekt geben kann.» Die Initianten um Bürgergemeinde- und Gemeindepräsidentin Andrea Kaufmann zeigten sich enttäuscht. Bevor das weitere Vorgehen beschlossen werde, wolle man aber zuerst das schriftliche Urteil abwarten, sagte sie. Womöglich findet sich darin ja eine richterliche Brücke für die Lösung des Problems.