Über 300 Personen nahmen am Samstagabend in Basel am Schweigemarsch für den getöteten Taxifahrer Alican S. teil. Die Trauernden trugen T-Shirts mit dem Foto des Verstorbenen und rote Rosen in den Händen. SP-Nationalrat Mustafa Atici verurteilt die Gewalttat aufs Schärfste.
In diesem Halbkreis habe Alican S. gelegen, sagt die Anwohnerin und kämpft mit den Tränen. Es ist Samstagabend. Die junge Frau steht unweit von der Tür zu ihrer Wohnung an der Peter Merian-Strasse, als der 300-köpfige Trauerzug in Gedenken an den getöteten Taxifahrer einbiegt.
Sie blickt sichtlich gerührt auf das Rosen- und Kerzenmeer vor dem Laternenpfahl, an dem der Taxifahrer zusammengebrochen sei: «Ich hörte seine Hilfeschreie bis in meine Wohnung.» Ihre Reanimationsversuche seien vergeblich gewesen, bedauert sie. Oft frage sie sich, wie die übrigen Helfer seither mit den Erinnerungen an die Gewalttat umgingen.
Die Hoffnung, das Geschehene gemeinsam zu verarbeiten, teilen auch die Trauernden. Kurz vor halb sechs treffen Verwandte, Freunde und Arbeitskollegen von Alican S. am Aeschenplatz vor dem Taxistandplatz ein.
Die Mehrheit kannte den 49-Jährigen, der am Abend des 18. November 2022 an ebenjenem Taxistand am Aeschenplatz einen Fahrgast einsteigen liess. Dieser Fahrgast stach nach wenigen Minuten Fahrt in der Peter Merian-Strasse auf die Person auf dem Fahrersitz ein: Alican S. – Ehemann, Familienvater, Freund. Er verstarb noch am Tatort. Auch das Team der Rettungssanität konnte nichts mehr ausrichten.
«Ich verbrachte acht bis zehn Stunden am Tag mit ihm», meint sein ehemaliger Arbeitskollege Özkan Suna. Es freue ihn, dass so viele dem Aufruf von Witwe Céline S. gefolgt sind.
Es sei besonders schlimm, dass es noch so viele offene Fragen gebe, meint eine ältere Baslerin, die mit einer Rose in der Hand auf den Beginn des Marsches wartet. Eine Woche nach der Tat, am 25. November, gab die Basler Staatsanwaltschaft bekannt, einen dringend Tatverdächtigen verhaftet zu haben: einen 51-jährigen Schweizer. Laut Céline S. behauptet der mutmassliche Mörder, sich nicht an die Tat erinnern zu können.
Mittlerweile kommt der Zug in Bewegung – abgelaufen wird die letzte Fahrstrecke des Opfers. Gespräche verstummen, jemand drückt einen Anruf auf dem Mobiltelefon weg. Zu hören sind nur einzelne Kinderstimmen. Jemand schluchzt. Ganz vorne läuft die Trauerfamilie und hält ein Banner. «Gerechtigkeit für Alican», steht darauf. Und auf den Ballonen, die wenig später in den Himmel steigen: «Für immer in unseren Herzen.»
Die Nachricht vom Tod seines Kollegen habe ihn so geschockt, dass er am darauffolgenden Tag nicht habe arbeiten können, sagt 44-er-Taxi-Fahrer Livan Di Grazio. Seine Kinder gingen gemeinsam mit den beiden Söhnen des Verstorbenen zur Schule. Er sei Alican S. jeden Morgen vor der Schule in Breitenbach, dem Wohnort der Familie, begegnet, sagt Di Grazio. «Jetzt kommen seine Söhne alleine.»
Diese tragen wie die meisten der Anwesenden weisse Shirts mit einem Foto von Alican S. Céline S. verteilt die Shirts an Anwesende, ebenso Kerzen und Rosen – eine Polizistin, die den Trauerzug begleitet, befestigt eine Rose an ihrer Uniform.
«Seinen Druck will keiner haben», sagt ein Schulfreund über die Situation des ältesten Sohnes. Er habe seit dem Tod seines Vaters die Verantwortung übernommen, für seine Mutter und seinen jüngeren Bruder da zu sein.
«Er will stark sein und seine Trauer nicht zeigen – das ist sehr hart», meint ein Schüler. Alican S. habe den Freunden seiner Söhne immer frische Brötchen geholt: «Er war der liebste Mensch der Welt.» Sie alle seien aus Respekt für Alican S. und seine Familie hier.
«Wir stemmen uns gegen das Vergessen von Alican und gegen dieses Verbrechen, das wir nicht so hinnehmen können», sagt Mustafa Atici in seiner kurzen Ansprache. Der Basler SP-Nationalrat kannte das Opfer. Dass sich Taxifahrer bei ihrer Arbeit nicht sicher fühlen, sei kein Zustand.