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Gegensätzliche Welten – dieses Motto hatten die Konzerte vom Wochenende. Am Freitag wird das ältere deutsche Publikum von Moulettes zuerst in den kühlen Norden versetzt, bevor es mit La Caravane Passe in den heissen, tanzfreudigen Südosten zieht.
Der Prog-Folk von Moulettes wirkt feenhaft – wenn die drei weiblichen Bandmitglieder präzise Harmonien singen. Wobei musikalische Zombies für dramatische Wechsel sorgen und die klare Fröhlichkeit abrupt in ein tiefes schwarzes Loch fällt. Live ist die Unberechenbarkeit der britischen Band noch um einiges eindrücklicher als auf ihren Alben.
Während Moulettes vordergründig auf Saiteninstrumente setzt, geben im Hintergrund E-Gitarre und Schlagzeug den Takt an. Klassik und Folk mischen sich mit Elektro-Rock und resultieren in mystischem Sound. Theatralisch geht es hingegen bei La Caravane Passe zu und her: Das beginnt bei den Kostümen über ihre Ansagen bis hin zur Musik, die von Blech und Gitarre dominiert wird. Balkanrhythmen vermischen sich bei den Nomaden aus Frankreich mit Jazz und Alternativrock. Manchmal etwas gar wild, wie auch ihr Sprachenmix. Doch sie reissen das Publikum mit. Es wird so richtig abgetanzt.
Etwas zu primitiver Humor
Nicht allen behagt jedoch der manchmal etwas primitive Humor und viele verlassen spätestens beim Song «Sex Toy» den Rosenfelspark. Etwas weniger Show, dafür mehr Konzentration auf Musik würde nicht schaden. Umgekehrt sind die sechs Mitglieder von Moulettes etwas zu distanziert gewesen, das Publikum hat aber auch nur spärlich auf den feinen britischen Humor reagiert, dafür hört es bis zum letzten Walzerton aufmerksam hin. Und das Beste gibts zum Schluss: In «Bloodshed» vergiessen die sechs auf 50 Arten das Blut von (Ex-)Lovern. So findet sich doch eine Gemeinsamkeit der beiden Bands von Freitag: die Themen Liebe und Tod. La Caravane Passe setzt diese im Western «Zinzin Moretto» wunderbar um und damit den Höhepunkt.
Verschwindet bei Moulettes die Kritik an Gesellschaft und Politik in der energiegeladenen Musik, ist der Protest des britischen Singer-Songwriters Billy Bragg laut und deutlich. Nicht nur in seinen Liedern, die je später der Samstagabend, desto feuriger werden, vom sanften Country zu aggressiverem Folk und Rock-Pop tendieren. In vielen Geschichten zwischen den Songs vertritt er die Sache der Arbeiter, der Immigranten, der Gewerkschaften und verurteilt den Rechtsrutsch der Europawahl – nicht verbissen, sondern stets mit Witz.
Rediger bewundert Bragg
Und an diesem Abend kommt der englische Humor rüber. Die Zuhörerinnen und Zuhörer sind etwas jünger als am Vortag und eindeutig gekommen, um den 56-Jährigen zu feiern. Er unterhält sie, unterhält sich mit ihnen, zum Beispiel über Männlichkeit oder Zynismus, und gibt ihnen 14 Songs sowie vier Zugaben. Eindrücklich sind «I Ain’t Got No Home» von Woody Guthrie, «All You Fascists» oder «To Have and To Have Not», eine Solo-Zugabe. Der Höhepunkt für die Fans ist «A New England» in einer Kraftwerk-Version, wo tüchtig mitgesungen werden darf.
Zugaben gibts nach dem Auftritt von The Bianca Story keine, obwohl ihre mehrheitlich männlichen Fans aus Basel danach schreien. Das wirkt seltsam. Wie Sänger Elia Rediger später der bz sagt, haben sie sich an den engen zeitlichen Rahmen halten müssen. Er nimmts gelassen, verfolgt den Auftritt seines Idols Billy Bragg und meint dazu: «Ich bewundere ihn. Seit 30 Jahren ist sein Protest gleich stark. Das entspricht mir.»
Die Instrumente fallen runter
Ganz anders als sein Idol hält Rediger, der auch schon Basler Regierungspräsident werden wollte, nie still und steigt nicht nur zu den Zuhörern hinab, sondern mischt sich selbst unter sie. Diese Unbändigkeit ist mitreissend – führt aber dazu, dass er das Kabel seiner Gitarre aus dem Stecker reisst oder das Schulerband seines Instruments reisst und ihm die Gitarre fast aus der Hand fällt. Zu wild hat offenbar auch Fabian Chiquet beim ersten Song in die Tasten gegriffen: Das Keyboard fiel runter.
Dass das Publikum erst beim vorletzten, achten Song «Neon Sand» – allerdings wohl dem bekanntesten des Albums Digger – so richtig warm wird, erstaunt. Schon alleine die tiefe Stimme von Rediger packt vom ersten Ton an, und spätestens bei «Dear Dead July» oder «Coming Home» zeigt sich die Tiefe des Pops von The Bianca Story. Immerhin geht zum Schluss dann doch die (Bird-)Rakete ab.