Das Wiesli im Museumsquartier ist für Anwohner seit über 40 Jahren ein beliebter Treffpunkt. Nun soll es aber überbaut werden. Die Pläne dafür stossen bei der IG Museumsquartier auf Unverständnis.
Luca Ghiselli
Von Frühling bis Herbst ist das Wiesli zwischen Notker- und Museumstrasse ein grosser Dorfplatz mitten in der Stadt. Hier treffen sich Familien und Pensionäre zum gemeinsamen Essen, Kinder tollen auf dem Spielplatz nebenan und Jugendliche spielen Fussball. Doch damit könnte bald Schluss sein: Die Pensionskasse des Kantons St. Gallen plant auf der Parzelle eine Wohnbaute mit mittlerer bis hoher Dichte (Ausgabe vom 30. September).
Derzeit ist eine Machbarkeitsstudie im Gang, bis die ersten Bagger auffahren, dauert es aber noch mindestens drei Jahre. Schon jetzt regt sich aber Widerstand gegen das Vorhaben. Stadtparlamentarierin Doris Königer (SP) hat gemeinsam mit Parlamentariern aus allen Fraktionen eine einfache Anfrage eingereicht, und auch die Vertreterinnen und Vertreter der IG Museumsquartier wollen sich gegen die geplante Überbauung wehren. Das Wiesli sei das Herz des Quartiers, sind sie überzeugt. Ein lebendiges und durchmischtes Museumsquartier könne es nur weiterhin geben, wenn dieser Freiraum erhalten bleibe. Dies auch, weil viele Wohnungen im Quartier sonst über keinen Aussenraum verfügten.
Die Vertreter der IG Museumsquartier hatten im Sommer von den Plänen der Pensionskasse erfahren. Sie wollte den Spielturm auf dem Wiesli sanieren. Als die Verantwortlichen der Pensionskasse davon erfuhren, informierten sie die IG über das Bauvorhaben. Dieses stösst bei den Quartiervertretern auf wenig Verständnis. «Auf der Wiese ist etwas gewachsen, das es zu respektieren gilt», sagt Beatrice Heilig. Die ehemalige PFG-Stadtparlamentarierin lebt seit fast 40 Jahren im Museumsquartier und hat die Bedeutung des Wieslis in dieser Zeit aus erster Hand miterlebt. Der Ort sei nicht nur für den sozialen Zusammenhalt im Quartier wichtig. «Er ist auch Ausdruck davon, dass man gemeinsam Verantwortung übernimmt», sagt Heilig. Im Gegensatz zum benachbarten Stadtpark werden hier nachbarschaftliche Beziehungen gepflegt. Der Stadtpark sei ein öffentlicher Grünraum. «Das Wiesli hingegen ist ein Gemeinschaftsprojekt mit sozialer Kontrolle, das über die Jahre organisch gewachsen ist. Es nun für den Bau von zehn Wohnungen zu zerstören, wäre fahrlässig und verheerend», sagt Heilig. Ursprünglich stand auf dem hinteren Teil des Wieslis ein altes, zweigeschossiges Kutscherhaus. Dieses wurde dann aber in den 1970er-Jahren abgebrochen. Damals existierten Pläne, wonach auf der Parzelle eine Turnhalle der Pädagogischen Hochschule hätte gebaut werden sollen. Dazu kam es nie, das Wiesli wurde fortan von Quartierbewohnern genutzt, bepflanzt und gepflegt. «Heute nutzen rund 20 Familien mit insgesamt über 50 Kindern das Wiesli regelmässig», sagt Heilig.
Davon ist auch Till Bannwart, Vorstandsmitglied der IG Museumsquartier, überzeugt. «Wir wollen, dass die Bedürfnisse des Quartiers berücksichtigt werden.» Das Museumsquartier sei intakt und belebt, obwohl es mit Jahrmärkten, Zirkus und Kulturfestival «hohen Zentrumslasten» ausgesetzt sei. «Dass das so bleibt, hängt unmittelbar mit der Zukunft der Wiese zusammen», sagt Bannwart. Was hier entstanden sei, sei aus Perspektive der Quartierentwicklung ein Musterbeispiel. «Wir wünschen uns, dass die zuständigen Behörden, aber auch die Öffentlichkeit das erkennt und respektiert», sagt Bannwart.
Die Parzelle ist im Zonenplan der Wohnzone W4 zugeteilt. Das bedeutet, dass darauf grundsätzlich bis zu vierstöckig gebaut werden kann. Kommt für die IG Museumsquartier eine Zonenplan-Initiative zur Rettung der Grünfläche in Frage? «Das wäre das letzte Instrument», sagt Beatrice Heilig. Nun gelte es aber, das Ergebnis der Machbarkeitsstudie abzuwarten. «Wir wollen einen offenen Dialog mit den Verantwortlichen der Pensionskasse führen», sagt auch Till Bannwart. Es handle sich bei der Zukunft des Wieslis im Museumsquartier nicht nur um eine bauliche, sondern auch um eine sozialpolitische Entscheidung.