Noch dauert es drei Monate, bis die Bevölkerung über den digitalen Schweizer Pass (E-ID) abstimmt. Doch der Abstimmungskampf tobt bereits. Mit einem Präzedenzfall für weitere Abstimmungen.
Es gilt als Bibel der eidgenössischen Urnengänge – das Abstimmungsbüchlein. Es hat eine Auflage von fast 6 Millionen. Am 29. November wurde es in 5964020 Haushalte versandt. Das Büchlein hat nicht nur eine hohe Verbreitung, sondern auch eine hohe Glaubwürdigkeit: Bevölkerung wie Medien orientieren sich an den offiziellen Argumenten.
Noch dauert es drei Monate, bis die Bevölkerung über den digitalen Schweizer Pass (E-ID) abstimmt. Doch der Abstimmungskampf tobt bereits. Mit einem Präzedenzfall für weitere Abstimmungen.
Es gilt als Bibel der eidgenössischen Urnengänge – das Abstimmungsbüchlein. Es hat eine Auflage von fast 6 Millionen. Am 29. November wurde es in 5964020 Haushalte versandt. Das Büchlein hat nicht nur eine hohe Verbreitung, sondern auch eine hohe Glaubwürdigkeit: Bevölkerung wie Medien orientieren sich an den offiziellen Argumenten.
Drei Monate vor dem nächsten Abstimmungssonntag vom 7. März kommt es nun zu einem Kampf um die Texte der Behörden im Büchlein. Das Referendumskomitee zur Vorlage der Elektronischen Identität (E-ID) will per Öffentlichkeitsgesetz die Texte erhalten, welche die Behörden für die Abstimmung erarbeitet haben. Ein Präzedenzfall für weitere Abstimmungen .
«Es ist matchentscheidend, was im Abstimmungsbüchlein steht», sagt Co-Kampagnenleiter Daniel Graf. Das Komitee kann auf zwei Seiten erklären, weshalb es findet, die E-ID sei Sache des Staates und dürfe nicht von privaten Unternehmen erstellt und verwaltet werden. Seinen Text hat es der Bundeskanzlei abgeliefert – inklusive Gut zum Druck.
Graf moniert, dass die Spiesse ungleich lang sind. Die Behörden könnten im Büchlein auf die Kritik des Komitees antworten. Das Komitee hingegen bekomme die Argumente der Behörden erst zu Gesicht, wenn das Büchlein im Briefkasten liege.
Diese «Ungleichbehandlung» ist Graf ein Dorn im Auge. «Die Behörden-Texte werden wie eine päpstliche Bulle behandelt.» Wie eine Urkunde also, die wichtige Rechtsakte des Papstes verkündet. Niemand hat Zugriff, bis sie feierlich ausgeliefert wird. «Damit bleibt uns gar keine Möglichkeit mehr, die Fakten korrekt zu checken.»
Drei Wochen vor der Abstimmung Fehler zu korrigieren, sei unglaublich schwierig, sagt Graf. Er hegt den Verdacht, dass die Behörden im Abstimmungsbüchlein unscharfe Formulierungen verwenden, um zu kaschieren, dass die E-ID nicht vom Staat ausgestellt wird, sondern von privaten Unternehmen.
Die Allianz für die Schweizer E-ID tut genau das. Sie schreibt von einer «staatlich geprüften ID», lässt aber unerwähnt, dass private Unternehmen dahinterstecken und der Staat nur noch Daten liefert.
Graf vermutet, dass die problematischen Aussagen der Behörden im Abstimmungsbüchlein in den letzten Jahren zugenommen haben. Dieser Eindruck täuscht aber. Noch in den 1970er-Jahren etwa schrieb der Bundesrat relativ ungeniert, was die Bevölkerung zu stimmen habe.
Heute gelten strenge Regeln. Adjektive, die eine Tendenz verraten, werden herausgestrichen. Die vier Seiten Erläuterung zu einer Vorlage sind reiner Sachtext. Nur die zwei Seiten, die Bundesrat und Parlament analog zum gegnerischen Komitee schreiben, sind eine Abstimmungsempfehlung.
Es sind vor allem die Angriffe der Komitees auf das Abstimmungsbüchlein, die zugenommen haben. Politische Insider gehen davon aus, dass diese heute zum Standard-Repertoire einer Kampagne gehören, weil sich damit Medienaufmerksamkeit generieren lässt.
In den letzten zwölf Jahren musste die Bundeskanzlei nur bei 5 von insgesamt über 100 Abstimmungen Korrekturen publizieren. Das betraf die Unternehmenssteuerreform II (2008), die Forschung am Menschen (2010), das Epidemiengesetz (2013), die Energie- statt Mehrwertsteuer (2015) und die Observationen zur IV (2018).
Die Bundeskanzlei hat inzwischen das Öffentlichkeitsgesuch des Referendumskomitees abgelehnt. «Das Bundesgesetz über die politischen Rechte sieht vor, dass alle Stimmberechtigten gleichzeitig und aktiv informiert werden müssen», sagt Beat Furrer, Informationsbeauftragter für die politischen Rechte. So erhalten die Stimmberechtigten die Unterlagen mindestens drei und frühestens vier Wochen vor der Abstimmung. «Die aktive Informationspflicht geht dem Öffentlichkeitsrecht vor», sagt Furrer, «und darf durch dieses nicht beschnitten werden.»
Von einer «Ungleichbehandlung» des Referendumskomitees will er zudem nichts wissen. «Die Abstimmungserläuterungen stützen sich im Wesentlichen auf die Botschaft des Bundesrates und auf die Debatte im Parlament», sagt Furrer. «Die Argumente der Behörden sind also grundsätzlich bekannt.»
Das Referendumskomitee will die Sache trotzdem weiterziehen. Es hält die Begründung für «unzutreffend», wie Erik Schönenberger sagt, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft und Mitglied des Referendumskomitees. Vorerst werde man «auf dem kleinen Dienstweg» aktiv. «Wir werden uns nochmals bei der Bundeskanzlei melden.»
Der «kleine Dienstweg» sei möglich, da die Bundeskanzlei bei ihrer Antwort keine Rechtsmittelbelehrung mit einer Verfügung erlassen habe. Bleibt diese Intervention erfolglos, gibt es nur noch einen Weg: den Gang zum eidgenössischen Datenschutzbeauftragten.