Romanshorn
«Wow, das ist ja verrückt»: 400 Kilometer und 6000 Höhenmeter in sechs Tagen – trotz Herzfehler wagt sich Martina Davatz auf die Velotour

Die Ostschweizerin Martina Davatz hat einen angeborenen Herzfehler. Sie arbeitet in der Romanshorner Sozialeinrichtung «Brüggli» und nimmt am dort lancierten Projekt «Wheels of Motion» teil. Mit anderen Brüggli-Mitarbeitenden macht sie sich auf die 400-Kilometer-Velofahrt von Bern in die Hafenstadt. Am 17. September beginnt die Tour.

Noëlle Graf

Martina Davatz beim Training.

Bild: Donato Caspari

Eigentlich müsste sie nicht arbeiten. Martina Davatz erhält nämlich wegen ihres angeborenen Herzfehlers eine Rente. Doch sie möchte es. Bei der Romanshorner Sozialfirma Brüggli ist die 33-Jährige im Bereich Co-Packing tätig.

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«Wow, das ist ja verrückt»: 400 Kilometer und 6000 Höhenmeter in sechs Tagen – trotz Herzfehler wagt sich Martina Davatz auf die Velotour

Die Ostschweizerin Martina Davatz hat einen angeborenen Herzfehler. Sie arbeitet in der Romanshorner Sozialeinrichtung «Brüggli» und nimmt am dort lancierten Projekt «Wheels of Motion» teil. Mit anderen Brüggli-Mitarbeitenden macht sie sich auf die 400-Kilometer-Velofahrt von Bern in die Hafenstadt. Am 17. September beginnt die Tour.

Noëlle Graf

Martina Davatz beim Training.

Bild: Donato Caspari

Eigentlich müsste sie nicht arbeiten. Martina Davatz erhält nämlich wegen ihres angeborenen Herzfehlers eine Rente. Doch sie möchte es. Bei der Romanshorner Sozialfirma Brüggli ist die 33-Jährige im Bereich Co-Packing tätig.

An ihrem Arbeitsplatz stehen vier grosse Kägi-Fret-Boxen mit kleinen Schöggeli. Martina greift beherzt hinein. Ihre Aufgabe ist es, die Schöggeli für den Verkauf in kleinere Weihnachtskartonboxen zu füllen. Es ist eine repetitive Arbeit. Doch Davatz bereitet sie sichtlich Freude.

«Am liebsten packe ich ein.»

Einzig Kartonboxen falten macht sie nicht besonders gern. «Manchmal gelingt es mir, und dann kann ich es wieder nicht mehr.» Das frustriere sie. Denn Davatz fällt es schwer, neue Sachen zu lernen. Auf die Frage, was genau es mit dem Herzfehler auf sich habe, zuckt sie mit den Schultern und sagt: «Das weiss ich nicht so genau.»

Die Schulzeit war schwierig

Besonders während der Kindheit und Jugend zeigten sich die Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten. «Ich brauchte in der Schule länger als die anderen.» Die Schulzeit hat sie negativ in Erinnerung.

«Die anderen haben mich ausgelacht, sogar in der Kleinklasse.»

In der Arbeitswelt gefiel es Davatz dann sogleich besser. «Es war schön in der Lehre», sagt sie. Nach einer Anlehre in der Hauswirtschaft arbeitet sie bald im «Brüggli». Hier ist Davatz auf das Projekt «Wheels of Motion» gestossen: Sie stellt sich einer grossen Herausforderung, indem sie an einer Velotour teilnimmt – «ich wollte sofort mitmachen, als ich davon erfuhr».

Zur Vorbereitung auf die sechstägige Tour geht Davatz abends Velofahren.

Bild: Donato Caspari

400 Kilometer und 6000 Höhenmeter in sechs Tagen. So lautet das Ziel des Projekts.

«Das ist ja verrückt»

Die Reaktion ihrer grossen Schwester zu dem Vorhaben: «Wow, das ist ja verrückt – schaffst du das?» Martina Davatz lacht, während sie das erzählt. Beim Sprechen verhaspelt sie sich manchmal.

Der Leiter des Projekts Michael Haller sagt: «Es geht genau darum, eine Tour zu unternehmen mit Leuten, denen man das vielleicht nicht zutrauen würde.» Sehr oft seien Menschen mit psychischen und körperlichen Schwierigkeiten gesellschaftlichen Stigmata ausgesetzt.

«Das Projekt ist ein Symbol dafür, was die Leute alles schaffen, wenn man ihnen etwas zutraut.»

So soll die gemeinsame Velotour zu einem Erfolgserlebnis werden. Die Velotour ist der Höhepunkt des Projekts. Die Vorbereitungen laufen schon seit sechs Monaten.

Sie sind intensiv. Bis zu viermal die Woche trainiert das Brüggli-Team, in Spinning Classes, beim Vitaltraining und bei gemeinsamen Ausfahrten. Zusätzlich müssen sich die Teilnehmenden privat vorbereiten. Von 15 sind jetzt noch zehn dabei. Grund für den Ausstieg sind psychische und körperliche Lasten. Projektleiter Haller sieht darin aber auch etwas Positives. «Die haben es wenigstens probiert, darum geht’s.»

Atemübungen und Krafttraining in der Karateschule

Diese Woche findet das zweitletzte Vitaltraining statt. In der Arboner Karateschule «Skai-Swiss» machen die Teilnehmenden Atemübungen und Krafttraining, um mental und körperlich fit zu sein. Auch Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung stehen im Vordergrund. Davatz sagt:

«Ich habe gelernt, Nein zu sagen.»

Sie muss sich vornehmen, eine Pause zu machen, wenn sie eine braucht.

In einer Woche geht es schon los. «Ich bin ein bisschen nervös», sagt Davatz nach dem Training. Sie freut sich am meisten darauf, mit der Gruppe unterwegs zu sein. «Und dass ich dann einmal nicht arbeiten muss.» Velofahren mache ihr viel Spass.

Der Projektverantwortliche Haller ist zuversichtlich, dass es klappen wird. Er sagt aber auch: «Es geht nicht darum, die Tour um jeden Preis zu beenden.» Für ihn sei das Projekt jetzt schon ein Erfolg.