Die Website kreuz.net gibt sich den Anschein eines seriösen Nachrichtenportals. Sie veröffentlicht aber einen aggressiven Wust erzkatholischer und rassistischer Texte. Wer hingegen gut wegkommt, ist das Bistum Chur. Und es hat auch einen Priester, von dem Texte auf kreuz.net stehen.
Der Slogan «Katholische Nachrichten» lässt eine verstaubte religiöse Website vermuten. Dann aber stutzt man: Am Mittwoch steht ein Text zu «Kirchenficker-Bischöfen» zuoberst, der mit einer Hymne an «Reichs-Propagandaminister Goebbels» schliesst. Rasch wird klar: kreuz.net ist ein anonymes Blog, das sich als seriöses Newsportal ausgibt.
Die Inhalte aus der Welt von Religion und Kirchen sind katholisch-erzkonservativ, rechtsextrem, antisemitisch und homophob. Der Holocaust-Leugner Williamson aus der Piusbruderschaft wird als «Heldenbischof» verehrt, Uniprofessoren werden als «Theolunken» verhöhnt. Weil er die Sexualaufklärung als Aufgabe der Volksschule sieht, wird der Basler Bischof Felix Gmür auf tiefstem Niveau verunglimpft. Auch Bischof Markus Büchel vom Bistum St. Gallen wird – nach einem Empfang homosexueller Geschäftsleute – als «Homo-Bischof» beschimpft.
Eine Ausnahme aber gibt es bei dem Portal, das den Fokus auf Ereignisse in Deutschland und Österreich legt: Das Bistum Chur, das eine romtreue und konservative Kirchenpolitik verfolgt, kommt in den Einträgen regelmässig gut weg. Bischof Vitus Huonder scheint bei den anonym operierenden Hardcore-Katholiken einen Bonus zu haben. Respektvoll wird berichtet, der durch umstrittene Personalpolitik auffallende Bischof habe «die Mitte des ganzen Konzils» entdeckt.
Das Bistum Chur freut dies allerdings nicht. «kreuz.net ist ein Portal mit teils menschenverachtenden, diskriminierenden Inhalten», sagt Bistumssprecher Giuseppe Gracia auf Anfrage. Zudem arbeite es anonym und sei «medienethisch, beziehungsweise juristisch höchst bedenklich». Warum aber auf kreuz.net regelmässig Nachrichten aus dem Bistum Chur auftauchen, kann man sich nicht erklären. Allerdings: Unter den Autoren auf kreuz.net – sie schreiben teils anonym, teils unter fiktivem Namen, wenige unter richtigem Namen – gibt es einen Priester, der im Bistum Chur arbeitet. Reto Nay ist Seelsorger in der Gemeinde Ilanz/Zignau und zugleich nach eigenen Angaben Chefredaktor des konservativen Internet-TV-Portals gloria.tv.
Unter seinem Namen finden sich auf kreuz.net zwei Texte. «Die Webseite hat einige Artikel von mir nachpubliziert, die bereits anderswo erschienen sind. Das freut mich», antwortet Reto Nay auf eine entsprechende Anfrage. kreuz.net hält er «im Vergleich» zur Website unserer Zeitung «für super». Ob er anonym auf kreuz.net Beiträge schreibe, wie dies die Gegen-Website kreuts.net behauptet, welche kreuz.net beobachtet, will Nay dann allerdings nicht bekanntgeben.
Aufgrund der rassistischen und antisemitischen Einträge ist die Website einschlägigen Stellen längst aufgefallen. So wurde sie von der nationalen Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Kobik) überprüft. Rechtlich sind aber der Schweiz – und anderen Ländern – die Hände gebunden: Da der Server in den USA in Chicago (Illinois) steht, gelangt das dortige Recht zur Anwendung. Kobik hat denn auch die kreuz.net-Website bereits den amerikanischen Behörden gemeldet. Registriert ist sie in Nassau, der Hauptstadt der Bahamas. Wer die angegebene Telefonnummer wählt, wird auf eine Mailadresse verwiesen. Wie Internetspezialisten sagen, ist die Wahl des Server-Standortes USA ein übliches Vorgehen bei Betreibern solcher anonymer Blogs.
Die rassistischen und antisemitischen Inhalte von kreuz.net haben die offiziellen katholischen Stellen schon länger auf den Plan gerufen. Sowohl die Deutsche wie die Österreichische Bischofskonferenz sahen sich veranlasst, sich von kreuz.net zu distanzieren. Die Seite habe «keinen offiziellen Charakter», und die «kontinuierlichen antisemitischen Entgleisungen» seien unerträglich. Auch bei der Schweizer Bischofskonferenz ist man informiert über kreuz.net, wie deren Sprecher Walter Müller sagt. Von einer Reaktion etwa wegen der Polemik gegen Bischof Felix Gmür will man aber derzeit absehen. «Wir wollen kreuz.net nicht durch eine Stellungnahme Aufmerksamkeit ermöglichen», sagt Walter Müller.
Weiss man im Bistum Chur davon, dass es von Reto Nay auf kreuz.net Texte gibt? «Dies war uns bisher nicht bekannt», sagt Giuseppe Gracia. «Wir werden mit ihm das Gespräch suchen und der Sache auf den Grund gehen.» Grundsätzlich gelte zwar für einen Priester in der Diözese Chur die Meinungsfreiheit. Jedoch erwarte man, dass «öffentliche Aussagen nicht dem katholischen Glauben widersprechen und dass Andersdenkende weder verletzt noch diskriminiert werden».
Daniel Klingenberg