Ab nächstem Jahr gilt bei Patientenverfügungen in der Schweiz eine einheitliche Regelung. Angehörige erhalten mehr Rechte. Dies könne aber auch belastend sein, meint Expertin Daniela Ritzenthaler, Mitautorin des Fachbuchs «Patientenverfügungen in der Schweiz».
Daniela Ritzenthaler: Neu ist jeder Arzt verpflichtet abzuklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt, wenn er eine urteilsunfähige Person behandelt. Ab 2013 kann jede Bürgerin einen Vermerk auf die Versichertenkarte der Krankenkasse speichern lassen, dass eine Patientenverfügung vorliegt. Diese Information kann zum Beispiel der Hausarzt auf die Versichertenkarte laden. Der behandelnde Arzt kann in diesem Fall der Karte entnehmen, ob eine Patientenverfügung vorliegt und wo diese zu finden ist. Zudem kann neu in der Patientenverfügung eine Person definiert werden, welche für einen über medizinische Therapien entscheidet, wenn man zum Beispiel im Koma liegt. Bisher konnten sich nahestehende Personen zwar zum mutmasslichen Willen des Patienten äussern, ein Entscheidungsrecht hatten sie aber nicht.
Ritzenthaler: In diesem Fall gibt es neu eine klare Reihenfolge von Personen, die von Gesetzes wegen in medizinische Therapien einwilligen oder diese ablehnen können. An erster Stelle steht der Beistand mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen, wenn es einen gibt. Dann kommt der Ehe- oder Lebenspartner, die Kinder, Eltern und Geschwister. Es können in der Patientenverfügung übrigens auch unerwünschte Personen angegeben werden, die auf keinen Fall mitentscheiden dürfen.
Ritzenthaler: Es gibt eine einheitliche, gesamtschweizerisch verbindliche Regelung. Die Angehörigen werden stärker in die Entscheidung mit einbezogen. Verschiedene internationale Studien zeigen, dass das von Patienten ausdrücklich so gewünscht wird. Auch für Mediziner kann eine klar formulierte Verfügung eine Entlastung darstellen.
Ritzenthaler: Es ist unmöglich, sämtliche Eventualitäten vorwegzunehmen. Es wird immer noch Fälle geben, in denen man aufgrund der Patientenverfügung auf den mutmasslichen Willen schliessen muss. Prinzipiell macht eine detaillierte Verfügung die Interpretation natürlich einfacher. Zudem dürfen keine Dinge in die Verfügung geschrieben werden, die rechtlich verboten sind.
Ritzenthaler: Aktive Sterbehilfe ist auf jeden Fall verboten.
Ritzenthaler: Ja, man kann in der Verfügung festlegen, dass auf lebenserhaltende Massnahmen verzichtet wird, wie zum Beispiel auf eine künstliche Beatmung oder eine künstliche Ernährung oder dass Reanimationsversuche unterlassen werden.
Ritzenthaler: Nein, die medizinischen Entscheidungen, die in der Patientenverfügung vorweggenommen werden, bleiben dieselben. Gleichzeitig überarbeiten aktuell viele Nonprofitorganisationen ihre bestehenden Verfügungen und passen sie den neuen Möglichkeiten des Rechtes an. Wenn jemand ein bestehendes Formular ausgefüllt hat, macht es Sinn, sich beim Herausgeber zu erkundigen, ob eine aktuellere Version besteht. Hat jemand eine eigenhändige Verfügung erstellt, kann er eine Ergänzung mit einer vertretungsberechtigten Person anbringen.
Ritzenthaler: Grundsätzlich raten wir, die Verfügung alle zwei Jahre zu überprüfen und neu zu datieren und zu unterschreiben, damit sie dann auch immer dem aktuellen Willen der verfügenden Person entspricht. Weiterhin ist es aber völlig freiwillig, eine Patientenverfügung aufzusetzen oder eben darauf zu verzichten. Es gibt Personen, die sich bewusst dagegen entscheiden, auch das ist ein selbstbestimmter Entscheid.
Ritzenthaler: Wichtig sind Datum und Unterschrift. Viele denken, die Verfügung müsse von Hand geschrieben sein, das stimmt so nicht. Vorlagen gibt es unter anderem unter www.dialog- ethik.ch, www.caritas.ch, www. fmh.ch oder beim Hausarzt.
Interview: Barbara Inglin