Der Nationalrat wird heute die Details des neuen Nachrichtendienstgesetzes beraten. Ein Kapitel, das dabei hitzige Diskussionen auslösen wird, ist die sogenannte Kabelaufklärung.
Der Nationalrat wird heute die Details des neuen Nachrichtendienstgesetzes beraten. Ein Kapitel, das dabei hitzige Diskussionen auslösen wird, ist die sogenannte Kabelaufklärung. Diese würde es dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) erlauben, «grenzüberschreitende Signale aus leitungsgebundenen Netzen zu erfassen» – also Datenströme anzuzapfen, die von hier ins Ausland fliessen, und diese auf bestimmte Begriffe hin zu untersuchen.
«Damit ermöglichen wir eine Komplettfahndung», sagt der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli (ZH), der die Kabelaufklärung aus dem Gesetz streichen will. Denn faktisch laufe ein Grossteil der Internetkommunikation über das Ausland: Würden zwei Personen in der Schweiz E-Mails austauschen und einer von beiden hätte etwa ein Konto bei GMX, könnte diese Kommunikation künftig gescannt werden. Glättli sieht darin Parallelen zum Überwachungsprogramm Tempora, das vor rund zwei Jahren durch den Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt wurde. «Damals habe ich mich wahnsinnig aufgeregt. Ich kann nun nicht einfach hinnehmen, dass wir in der Schweiz in die gleiche Richtung arbeiten.»
Neben dem «Eingriff in die persönliche Freiheit von uns allen» stört sich Glättli aber auch an der seiner Meinung nach «mangelhaften Wirksamkeit» der Kabelaufklärung. «Stellen Sie sich vor, ein Journalist möchte von einem Parlamentarier eine Auskunft bezüglich des Umgangs mit syrischen Jihadisten – schon könnte das durch die Kabelaufklärung erfasst werden», sagt Glättli. «Wollten Terroristen nun aber wirklich einen Anschlag planen, wären sie wohl so schlau, ihre Kommunikation zu verschlüsseln und heikle Begriffe zu umgehen.»
Nicht verstehen kann die Kritik der zuständige Bundesrat Ueli Maurer. «Eigentlich ist die Kabelaufklärung nichts Aufregendes, sondern nur eine Anpassung an die Technologie, die heute von einer möglichen Gegenseite benutzt wird», sagte er gestern während der Eintretensdebatte im Nationalrat. Es sei ausgeschlossen, dass Schweizer Bürger überhaupt in den Fokus gerieten, zudem sei die Massnahme bewilligungspflichtig. Balthasar Glättli hingegen glaubt diesen bundesrätlichen Beteuerungen nicht. Er hält diese Schutzmassnahme für untauglich. «Das Einzige, was man bewilligen müsste, wäre eine Liste von Suchbegriffen. Das schützt niemanden vor Überwachung.»
Ähnlich argumentieren auch die Digitale Gesellschaft, Amnesty International Schweiz und die Stiftung für Konsumentenschutz. In einem offenen Brief appellierten sie vergangene Woche an das Parlament, die Kabelaufklärung aus dem Nachrichtendienstgesetz zu kippen. «Unsere Grundrechte dürfen nicht der Überwachung geopfert werden», so der einhellige Tenor der drei Organisationen. Die Kabelaufklärung sei ein Mittel, auf das ein freies und demokratisches Land verzichten müsse.