Markus Seifermann und Uwe Schmidt-Hess, zwei deutsche Architekten aus London, ergründen in einer Ausstellung im Architektur Forum das Narrative in der Architektur. Dazu bauen sie dysfunktionale Maschinen.
Hat Marcel Duchamp die Schokoladereibe nach St. Gallen gebracht? Oder gar die Junggesellenmaschine im Koffer? Das Arsenal hübscher Apparaturen von ältlichem Charme jedenfalls bringt den Wegbereiter des Dadaismus und Surrealismus ebenso wie Jean Tinguely als Vertreter der dadaesken kinetischen Kunst stimmungsmässig mit ins Architektur Forum. Doch «Raumepisoden» ist eine Ausstellung zweier deutscher Architekten, die sich in London während der Ausbildung kennengelernt und vor zwei Jahren das Büro Patalab gegründet haben: Uwe Schmidt-Hess (Jahrgang 1977) und Markus Seifermann (1976).
Präsentieren tun sie sich als interdisziplinär zwischen den Sparten pendelnde Forscher des Absurden.
Während sie ihre realen Bauprojekte wie den Umbau einer luxuriösen Villa im Londoner Stadtteil Hampstead gemeinsam angehen, besteht die Ausstellung «Raumepisoden» aus zwei mehrteiligen Einzelarbeiten, die aber in einen Dialog geraten.
Sowieso: Das Dialogische, das, was zwischen den Dingen wie zwischen den Maschinen – oder Menschen – passiert, das, was wir mit den Objekten anstellen und die Objekte mit uns, ist das Wichtige.
Uwe Schmidt-Hess ist der Erfinder des «Dichtergartens». Der besteht aus vier nichtfunktionalen, aber funktionierenden Maschinen. Die eine beschreibt mit Wachstropfen ein Gewebeband als Protokoll des eigenen Tuns und huldigt dem Zufall.
Als Nebenprodukt entsteht eine Kerze, die in der zweiten Maschine zum Einsatz kommt und über einen gebremsten Dreharm Glasplatten in Bewegung bringt. Eine weitere Maschine zerknüllt mit Hilfe von Signalen, die über den Rhythmus einer alten Schreibmaschine gesendet werden, ein Wachspapier und formt damit ein Modell für eine Gussschale. Das ist alles etwas wackelig und dient vor allem dem Antrieb unserer Assoziations- und Phantasiemaschine. «Uns interessiert, wie Verräumlichung ausserhalb des Gebauten aussieht.
Die Konstrukte helfen, näher heranzukommen an etwas, das nicht gesagt werden kann», so die Architekten.
Das nicht Sagbare geht auch durch «Stiller», den Roman von Max Frisch, den Seifermann seit seiner Jugend als Begleiter im Gepäck hat. Vor einem Jahr breitete er an der ETH in Zürich erstmals sein Stiller-Universum aus.
Frisch, selber an der ETH zwischen 1936 und 1940 zum Architekten ausgebildet, entschied sich dann aber für ein Leben als literarischer Raum- und Identitätenbauer. Das interessiert den Architekten Markus Seifermann, und er erfindet «The Lost Space of Stiller», eine komplexe Rauminstallation als Annäherung an die Romanfigur Stiller. mit dem Alter ego des «Identity Stalker» forscht er Stiller nach und sammelt Fragmente seiner verlorenen Identität. Das Bild bleibt verzerrt wie die gefilmten Spiegelungen auf Türknäufen.
Dass sie sich historisch im Umkreis des Dada verorten, lässt auch ihr Büroname vermuten: Patalab. Damit nehmen Seifermann und Schmidt-Hess Bezug zum Philosophie- und Wissenschaftskonzept der Absurdität, wie es der französische Schriftsteller Alfred Jarry (1873–1907) definiert hat. Es geht um den Sinn von Nonsens, um esoterischen Humor und um Paralleluniversen zur Erweiterung der bekannten Weltbilder.
Was versprechen sie sich vom surrealen Maschinenpark pataphysischen Ausmasses für ihre architektonische Arbeit? Wollen sie lieber Künstler sein? Philosophen? Markus Seifermann und Uwe Schmidt-Hess winken ab. «Es geht um das Prozesshafte.» Mit den Maschinen und Assemblagen lassen sich Denkvorgänge visualisieren, ohne sie in Worte zu fassen. «Wir betreiben Gedankenexperimente», und diese seien für das gebaute Werk genauso wichtig wie für utopisches Bauen.
Das Verhalten der Klappermaschinen lehre sie, den Zufall und die Intuition in die Architektur einzubeziehen. Und sich nicht gegen die Erfüllung unterschiedlicher Bedürfnisse zu wehren.
Dazu dürfen und sollen Architekten auch mal zu Stalkern werden, die den Bauherrschaften nachspionieren – und sich dabei selber über den Weg laufen. «Wichtig ist nicht das Was, sondern das Wie.
» Das Haptische, Organische müsse mehr Platz bekommen, die rationale Klarheit des Modernismus dürste nach Irrationalem, Narrativem. «Es braucht vermehrt Körperlichkeit, Erotik, Ekel. Gefühle eben.» Da können auch Barthaare zum Arbeitsmaterial werden.
Architektur Forum Ostschweiz, Davidstrasse 40, St. Gallen, Ausstellung bis 23. April, jeweils Sa/So 13–15 Uhr. Führungen: Mo 12./23.4., 18 Uhr; www.a-f-o.ch