Überraschende Aussichten

Ein neuer Führer stellt 101 Orte zum Verweilen und Entdecken in der Bodenseeregion vor und vermag mit seiner eigenwilligen Auswahl auch Einheimische zu überraschen. Wobei so mancher Tip weit ins Land hineinführt.

Rolf App
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Blick von Ermatingen hinüber zur Insel Reichenau. (Bild: Reto Martin)

Blick von Ermatingen hinüber zur Insel Reichenau. (Bild: Reto Martin)

Wie jedes Jahr haben wir in Berlingen am Untersee ein Häuschen gemietet und sind an unseren milden Abenden ans Ufer gesessen. Haben den quakenden Enten und majestätischen Schwänen zugeschaut und gewartet, bis die Motorboote ihre Häfen angesteuert haben und Ruhe einkehrt.

Den Blick schweifen lassen

Wir haben den Blick schweifen lassen: Nach rechts zum Schloss Arenenberg mit seinem schönen, in Bäumen versteckten Park. Hinüber zur Reichenau, diesem alten Paradies der Mönche, auf dem heute die Treibhäuser das Bild bestimmen. Gen Westen, wo der Kegel des Hohentwiel gerade noch zu erahnen ist. Was für eine schöne, reiche Gegend. Reich an Natur, reich an Kultur.

Wie reich, das zeigt Patrick Brauns in seinem gerade erschienenen Führer, in dem er 101 Orte zum Verweilen und Entdecken in der Bodenseeregion vorstellt – in eindrucksvollen Bildern und kurzen Texten. Und in einer Auswahl, die auch Einheimische zu überraschen vermag.

Rorschach, zum Beispiel

Was, zum Beispiel, sollte man in Rorschach nicht verpassen? Patrick Brauns erwähnt zwar die «Badhütte» und die Sammlung Würth, kommt dann aber auf den «Stadtbalkon» zu sprechen – einen 2012 beim Hauptbahnhof errichteten Betonturm, von dem aus man einen spektakulären Blick auf Stadt und Ufer hat.

Türme überall

Überhaupt die Türme. In der Friedrichshafener Einfahrt erhebt sich seit einigen Jahren ein solcher Aussichtspunkt aus Stahl und Glas, und in der weiträumigen Kreuzlinger Seeuferanlage sieht man von einer Holzplattform aus hinüber nach Konstanz. Dort begrüsst den zu Schiff Anreisenden seit 1993 die seinerzeit sehr umstrittene Statue der Kurtisane Imperia, die satirisch ans Konzil erinnert.

So geht es rund um den See, und auch immer wieder von ihm weg. Auf den bereits erwähnten Hohentwiel bei Singen, wo eine der grössten Festungsruinen Deutschland zu besichtigen ist. Zur Fähre Gertau bei Bischofszell. Auf das Hörnli bei Fischingen. Und sogar zum Rapperswiler Steg.

Die unbekannteren Ecken

Weil aber das handliche Buch in einem deutschen Verlag erschienen ist, sind vor allem jene Teile ausführlich geraten, die vom deutschen und österreichischen Ufer handeln. Wer, zum Beispiel, ist schon auf der Amalienhöhe bei Heiligenberg gewesen? Wer kennt das Eriskircher Ried? Wer hat in Bregenz schon die ruhige Oberstadt besucht? Oder hat in Ravensburg die paar Minuten auf die Veitsburg unter die Füsse genommen? Bei Ravensburg findet sich übrigens auch das schief stehende Blaue Haus. Ein Kunstwerk, mit Bank und Linde davor, damit sich der Wanderer ausruhen kann. Und den Blick schweifen lässt.

Denn darum vor allem geht es. Immer muss der Mensch Aussicht haben, muss hinunter- oder hinüberschauen können. Wie wir in unseren Ferien.

Patrick Brauns: Der Bodensee. 101 Orte zum Verweilen und Entdecken, Theiss 2015, 224 S., Fr. 23.90

In der Bodenseeregion: Konstanzer Imperia mit gewagtem Décolleté…

In der Bodenseeregion: Konstanzer Imperia mit gewagtem Décolleté…

…der Arenenberger Park…

…der Arenenberger Park…

…und das blaue Haus bei Ravensburg. (Bilder aus: Patrick Brauns, Der Bodensee)

…und das blaue Haus bei Ravensburg. (Bilder aus: Patrick Brauns, Der Bodensee)