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Der Kanton will per 2022 die Gewinnsteuern senken. Das reisst auch den Gemeinden ein Loch in die Kasse. Leibstadt wäre von den über 200 Aargauer Gemeinden am meisten betroffen.
Um happige 16 Prozentpunkte könnten die Steuern in Leibstadt in den kommenden Jahren steigen: Keine Gemeinde im Aargau trifft die vom Kanton geplante Senkung der Gewinnsteuern stärker als das Zurzibieter Dorf.
Der Grund: Der Aktiensteuerertrag ist in Leibstadt gemessen am gesamten Steuerertrag seit Jahren sehr hoch. Es drohen also massive Steuerausfälle. Insgesamt kostet die Senkung der Gewinnsteuer von heute 18,6 auf 15,1 Prozent für Gewinne ab 250'000 Franken den Kanton 90 und die Gemeinden 42 Millionen Franken.
Knapp 1400 Einwohner zählt Leibstadt – und mehr als 1000 Arbeitsplätze. Rund die Hälfte ist im AKW Leibstadt angestellt.
«Das Kernkraftwerk ist nicht nur unser grösster Arbeitgeber, sondern auch mit Abstand der grösste Steuerzahler», sagt Gemeindeammann Hanspeter Erne (parteilos).
«Als Standortgemeinde des grössten Kernkraftwerks der Schweiz steht uns unseres Erachtens eine gewisse Abgeltung zu.»
Auch die anderen grossen Unternehmen wie die Kuratle Group und die Knecht Mühle beschäftigen viele Arbeitnehmer.
Zudem sind zahlreiche weitere Gewerbebetriebe im Dorf angesiedelt. Sie alle zahlen Aktiensteuern. 2020 betrugen diese fast 1,3 Millionen Franken. Das entspricht fast 30 Prozent der gesamten Steuereinnahmen des vergangenen Jahres.
«Der Aktiensteuerertrag ist in Leibstadt seit Jahren sehr hoch», sagt Hanspeter Erne. «Deshalb sind wir bei jeder Tarifänderung bei den juristischen Personen besonders betroffen.» Wird die Senkung der Gewinnsteuern Realität, muss die Gemeinde ab 2024 pro Jahr auf knapp zehn Prozent der gesamten Steuereinnahmen verzichten. Basierend auf der kantonalen Steuerstatistik entspricht dies gegen 400'000 Franken jährlich.
Hanspeter Erne sagt:
«Aus heutiger Optik ist kaum davon auszugehen, dass wir diesen Ausfall auf Dauer Jahr für Jahr kompensieren können.»
Und er ergänzt: «Zu viele Ausgabepositionen sind gebunden und können von der Gemeinde nicht beeinflusst werden.» Zudem stehen mit der notwendigen Sanierung der Bernowa-Halle Ausgaben in Millionenhöhe bevor. «Ein Verschieben von notwendigem Unterhalt ist auf Dauer keine Lösung.»
Auch ist nicht mit neuen grossen Steuerzahlern zu rechnen: «Wir können in unserer Randregion nicht davon ausgehen, dass wir dank tieferen Gewinnsteuertarifen Unternehmen anziehen, die uns die Ausfälle kompensieren.» Die Folge: Leibstadt müsste die Steuern von 102 auf 118 Prozent erhöhen.
Aus der Gemeinde wird zum einen Kritik laut am Zeitpunkt der Einführung. «Im Gegensatz zum Kanton, der in guten Jahren regelmässig einen Teil solcher Lasten aus der Gewinnverteilung der Nationalbank abfedern kann, haben die Gemeinden keine solche Möglichkeit», schreibt der Gemeinderat im Mitteilungsblatt.
Zu den erwarteten Mindereinnahmen kommen Mehrausgaben im Zusammenhang mit den Lehrerlöhnen und den finanziellen Folgen der Coronakrise hinzu. Dies führe zu einer nicht tragbaren Verschlechterung der Finanzlage, heisst es im Mitteilungsblatt weiter.
Zum anderen bezeichnet der Gemeinderat das Tempo der Einführung als Salamitaktik. Die Steuervorlage soll ab 2022 über drei Jahre gestaffelt wirksam werden. «Die Etappierung ist Augenwischerei», sagt Erne und fragt rhetorisch: «Sollen wir den Steuerfuss zur Kompensation ebenfalls in drei Etappen erhöhen?»
Der Ammann hält fest, dass Leibstadt nicht generell gegen eine Senkung sei. Er fordert aber einen Ausgleich. Diese habe es im Rahmen der Anfang 2020 in Kraft getretenen Unternehmenssteuerreform gegeben, nach der internationale Firmen nicht mehr anders besteuert werden dürfen als schweizerische. «Dies soll nun, kaum in Kraft gesetzt, plötzlich nicht mehr gelten», sagt Erne. «Deshalb verlangen wir eine Kompensation mit einem höheren Anteil an den Aktiensteuern, wie bei der Umsetzung der Unternehmenssteuerreform bereits geschehen.»