Wirtschaftspraxis
Geschäftstüchtig: Die Alte Kanti Aarau bringt die erfolgreichsten Miniunternehmer hervor

Im Wettbewerb von Young Enterprise Switzerland (YES) gründen und führen Gymnasiasten während eines Schuljahres selber eine Firma. Dieses Jahre schafften es vier der sechs Aarauer Gymi-Teams unter die Top 8. Und auch das Finale um den um den Titel «Company of the year» war ein Aarauer Derby.

Peter Brühwiler
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Die Alte Kantonsschule Aarau ist bei den YES-Miniunternehmen nationale Spitze.

Die Alte Kantonsschule Aarau ist bei den YES-Miniunternehmen nationale Spitze.

Aargauer Zeitung

Früher hat Veronika Potykanowicz für den Pharmariesen Novartis im strategischen Marketing gearbeitet. Heute coacht sie – ganz am anderen Ende der Grössenskala – als Fachlehrerin des Schwerpunktfachs Wirtschaft und Recht an der Alten Kanti Aarau zusammen mit ihrem Kollegen Jürg Hoerner Miniunternehmen.

Teams von fünf bis sieben Gymnasialschülern, so das Konzept, gründen und führen während eines Schuljahres selber eine Firma nach den Regeln von Young Enterprise Switzerland (YES). Dies ermöglicht eine praktische Annäherung an das Thema Unternehmertum – und ist kein Spiel, wie die beiden Kantilehrer betonen. «Es gibt bei diesem Projekt keinen doppelten Boden», so Potykanowicz. Das Firmenkapital, das die Schüler über sogenannte Partizipanten, die in das Unternehmen investieren wollen, selber auftreiben müssen, ist zwar auf 3000 Franken begrenzt. Aber es geht um echte Produkte, und die Schüler müssen mit echten Unternehmen kommunizieren.»

An der Alten Kanti tun sie dies anscheinend besonders erfolgreich. Vier der sechs Aarauer Gymi-Teams schafften es dieses Jahr im YES-Wettbewerb um den Titel «Company of the year» unter die Top 8. Und das Finale war dann ein Aarauer Derby: Platz 1 ging an die Young Pepper Company, Platz 2 an die Firma smartfruits. Am Start waren insgesamt 190 YES-Miniunternehmen aus der ganzen Schweiz.

Umsetzer und Kreative

Der Aargau habe in diesem Wettbewerb schon immer stark abgeschnitten, sagt Hoerner. Die diesjährige Dominanz überraschte aber auch ihn. Für den Höhenflug sind wohl verschiedene Faktoren verantwortlich: Hoch motivierte Schüler, die Unterstützung der Schulleitung, aber auch der Eltern und nicht zuletzt engagierte Lehrer. «Dass wir beide aus der Privatwirtschaft kommen, ist ein zusätzlicher Vorteil», sagt Hoerner. So führt der Kantilehrer nebenbei Teamcoachings in Unternehmen durch. Und nach der dort angewandten Methode teilen sich die Kanti-schüler durch eine einfache Befragung in verschiedene Teamtypen wie zum Beispiel «Umsetzer», «Unterstützende Stabilisatoren» oder «Kreative Innovatoren» ein.

Lehrer und gleichzeitig Coaches: Veronika Potykanowicz und Jürg Hoerner Chris Iseli

Lehrer und gleichzeitig Coaches: Veronika Potykanowicz und Jürg Hoerner Chris Iseli

Lehrer und gleichzeitig Coaches: Veronika Potykanowicz und Jürg Hoerner Chris Iseli

Chris Iseli

Zeit, um den Erfolg zu geniessen, blieb Potykanowicz und Hoerner nur wenig, denn bereits vor den Sommerferien hat sich der nächste Miniunternehmer-Jahrgang auf die Suche nach Produktideen gemacht. An einer Kick-off-Veranstaltung – auch diese ein Puzzlestück des Aarauer Erfolgs – präsentierten die beiden Coaches den Schülern das Projekt vor dem eigentlichen Projekt-Start. Denn die Zeit ist knapp bemessen: Nach der Gründungsphase und der Erstellung des Businessplans muss das Produkt bereits im Dezember auf dem Markt sein. «Natürlich sind wir gespannt auf die neuen Ideen», so Hoerner. Als «interessante Herausforderung» wünscht er sich die Gründung eines Dienstleistungsunternehmens, das beispielsweise Computerservices anbieten könnte. Bisher haben sich die Aarauer Kantischüler auf physische Produkte konzentriert. Diese seien für die Schüler attraktiver, «weil man sie den Leuten zeigen und an Veranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt verkaufen kann».

Mehr als nur Mitleidskäufe

Einen Teil des Umsatzes mögen die Miniunternehmer dabei Mitleidskäufen von Verwandten und Bekannten zu verdanken haben. In vielen Fällen gehe es aber weit darüber hinaus, sagt Potykanowicz. «Wenn man, wie die Young Pepper Company, Pfeffer im Wert von 14 000 Franken verkauft, dann hat man sicher etwas richtig gemacht.» Sowohl die diesjährigen Wettbewerbsgewinner als auch die zweitplatzierten smartfruits-Gründer spielen denn auch mit dem Gedanken, das Unternehmen als Kollektivgesellschaft oder GmbH weiterzuführen. Das Problem: Die Miniunternehmer starten heute in ihr Maturajahr, und die Maturaarbeit ist bereits im Oktober fällig. Auch wurde die wirklich spektakuläre Geschäftsidee an der Alten Kanti bisher noch nicht geboren, wie Hoerner eingestehen muss. «In ein Produkt, das die nächsten 50 Jahre viel Geld einbringt, würden wir natürlich investieren», scherzt er.

Aber selbst wenn der Ausflug in die Unternehmerwelt nach einem Jahr bereits wieder zu Ende geht, profitieren die Schüler von den gemachten Erfahrungen. «In der Maturaprüfung können sie viel praxisbezogener antworten», weiss Hoerner. Und in Estland, wo 2014 das europäische Finale stattfand, hat es ein ehemaliger Miniunternehmer gar ins Präsidentenamt geschafft.