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2020 hätte ganz im Zeichen des Lochs in der Erde stehen sollen: Eine Gruppe Sarmenstorfer Kulturschaffender unter Führung der dorfeigenen Theaterspezialisten Hans Melliger und Stefan Hegi plante über 20 Anlässe und ein grosses Freilichttheater zum Thema Grabenstorf. Jetzt holen sie die Ideen zurück aus der Versenkung.
So leicht war es noch nie, ein Projekt aus der Versenkung zu holen: Ein paar Bickelschläge von Stefan Hegi, ein Spatenstich von Hans Melliger, und schon sind über 20 Projekte zurück am Tageslicht. Sie sind vielleicht ein wenig eingerostet im leicht angesäuerten Sarmenstorfer Lindenplatz-Boden. Aber wer die beiden Kulturplatzhirsche kennt, weiss, wie schnell sie ein Projekt zum Glänzen bringen können.
Ihr Projekt Grabenstorf ist dorfintern gewachsen und verblüffte bereits vor einem Jahr mit der Ansage, dass es über 20 Kulturveranstaltungen inklusive grossem Freilichttheater bieten werde. Letzteres soll gar in einer Baugrube hinter der Mehrzweckhalle stattfinden.
Das Theater selbst wurde nun in den August 2022 verschoben. Genauer soll die Premiere am 19. August, die Derniere am 25. September 2022 stattfinden. Hegi erklärt: «Wir hätten sicher früher anfangen können mit den Proben, online oder mit Masken wäre das möglich gewesen. Aber das ist nichts für uns. Wir wollen nicht nur Theater spielen, wir wollen anschliessend zusammen in die Beiz und die Gemeinschaft leben. Das ist ein Hauptgrund, wieso wir alles verschoben haben.»
Schön sei, dass so gut wie alle Mitwirkenden noch dabei seien und Lust hätten, am speziellen Grossprojekt mitzuarbeiten, freuen sich die beiden. Dazu gehören neben dem Freilichttheater all die kleineren grabologischen Aktionen und Projekte. Wer nun das Wort «grabologisch» nicht kennt, dem sei verziehen: Dieses gab es bis vor der Ankündigung der Sarmenstorfer Veranstaltungsreihe noch gar nicht. Stefan Hegi erklärte vor einem Jahr:
«Grabologie steht in etwa so zur Archäologie wie die Astrologie zur Astronomie.»
Melliger fügte hinzu: «Die Archäologen haben eine Idee, was sie bei Grabungen finden werden, Tonscherben, Gräber und so weiter. Wir Grabologen hingegen graben einfach und arbeiten auch auf feinstofflicher Ebene.» Im Grunde bedeutet das: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Einzige Gemeinsamkeit der Aktionen: das Thema «graben».
Es soll alles damit beginnen, dass die Website von Grabenstorf aktualisiert wird. Im August werden die Kulturschaffenden dann auf der Wiese hinter dem grossen Parkplatz auf dem Lindenplatz ein Loch graben und dort ihre grabologischen Forschungen betreiben. Ausserdem gibt es einen grossen Wettbewerb, wer in einer Stunde das tiefste Loch gräbt. Dann könnte es einen Rundweg durch all die echten historischen Sarmenstorfer Fundorte geben, die von der Kantonsarchäologie verzeichnet wurden und teilweise bis in die Steinzeit zurückreichen.
Es soll eine Sternstunde Philosophie zum Thema «graben» geben. Ein Bagger-Kurs soll den Kindertraum vieler Sarmenstorfer wahrmachen. In einem Symposium soll der Waldbruder Heigele beleuchtet werden, den es scheinbar tatsächlich gegeben hat, der mit alten Knochen gehandelt und auch mit der Wendelinskapelle zu tun gehabt haben soll.
Das klingt absurd, doch auf diesen Waldbruder sei Autor Jörg Meier bei seinen Recherchen fürs Theater tatsächlich gestossen. Ebenso soll an einem Infoabend Hans Reinerth beleuchtet werden, der umstrittene Grabungsleiter der ersten Ausgrabungen der Bronzezeitgräber im Zigiholz.
Von Zeitkapseln bis vergrabenen Unterhosen – der Fantasie werden wirklich keine Grenzen gesetzt. Ausserdem soll es auf die Freude der Sarmenstorfer ankommen, wie viele Aktionen am Ende durchgeführt werden. Melliger erklärt: «Viele sagen, wenn kulturelle Anlässe wieder möglich sein werden, werde es ein Nachholbedürfnis geben. Wir werden sehen.» Und:
«Wenn die Leute Lust haben, können wir mehr Aktionen starten, wenn sie keine Lust haben, machen wir weniger. Es wird spannend.»
Denn Grabenstorf, das sei Kultur von Sarmenstorfern für Sarmenstorfer. Freiwillige dürfen sich immer noch melden. Auch die Ideen für die Aktionen sind noch längst nicht ausgeschöpft. Und nur zur Info: Die Tafel, die seit rund einem Jahr den hinteren Abschluss des Sarmenstorfer Lindenplatzes mit chinesischen Schriftzeichen ziert, hat nichts mit Corona zu tun, auch wenn beides in etwa zeitgleich erschien. Laut der Google-Translate-App steht da einfach nur «Grabenstorf».