Bezirksgericht Brugg
Mit 170 statt 100 km/h über die Autobahn gebrettert: «Ich habe einen dummen Fehler gemacht»

Ein 32-Jähriger steht wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln vor dem Bezirksgericht in Brugg – und zeigt sich einsichtig. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten unbedingt.

Michael Hunziker
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Trotz schlechter Strassen- und Sichtverhältnisse war der Beschuldigte viel zu schnell unterwegs (Symbolbild).

Trotz schlechter Strassen- und Sichtverhältnisse war der Beschuldigte viel zu schnell unterwegs (Symbolbild).

Keystone

Er habe Mist gebaut, sagte Endrit (Name geändert) vor dem Bezirksgericht in Brugg. «Es tut mir leid.» Er wisse, dass er etwas verändern müsse in seinem Leben und hoffe, dass er eine Chance erhalte, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Zur Last gelegt wurden dem 32-Jährigen grobe Verletzung der Verkehrsregeln. Die Staatsanwaltschaft forderte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten unbedingt.

An einem Samstagabend im Februar 2020 war Endrit mit dem Mercedes seines Vaters auf der Autobahn Richtung Zürich unterwegs – mit 170 km/h statt den erlaubten 100 km/h. Auf der Höhe Birrhard stoppte ihn die Polizei. Er habe, blickte Endrit in der Befragung zurück, mit seiner Frau auf dem Beifahrersitz diskutiert und nicht auf den Tacho geschaut. Dass er so schnell gefahren sei, habe er nicht realisiert. Er habe weder jemanden bedrängen noch provozieren oder ein Wettrennen fahren wollen.

Dass er die Geschwindigkeit massiv überschritten habe, gab er unumwunden zu. Das sei wirklich so, da müsse man nicht darum herumreden. Gerichtspräsidentin Gabriele Kerkhoven gab zu bedenken, dass es dunkel und nass war, die Strassen- und Sichtverhältnisse schlecht, die Situation enorm gefährlich. «Ich habe einen dummen Fehler gemacht», räumte Endrit ein. Es war nicht sein erster, wie in der Verhandlung vor dem Gesamtgericht zu erfahren war.

Seit der Schulzeit arbeitet er als Gerüstbauer

Endrit war im Alter von 12 Jahren aus dem Kosovo in die Schweiz gekommen. Seine Schulzeit sei mühsam gewesen, die Sprache zu lernen nicht einfach, erinnerte er sich. Eine Lehre habe er nicht absolviert. In der Firma, in der sein Vater tätig war, habe er eine Stelle angetreten. Seither arbeite er als Gerüstbauer. Mittlerweile sei er bei seinem Bruder angestellt, der sich selbstständig gemacht habe. Endrit – schlanke Statur, leuchtend rotes T-Shirt und blaue Jeans – hat jung geheiratet, ist Vater von zwei Kindern. Seine Familie, mit der er im Freiamt wohnt, sei das Wichtigste, das er habe, betonte er.

Endrit hat Betreibungen am Hals. Er habe die Rechnungen nicht immer pünktlich bezahlt sagte er. Er sei selber schuld, habe schlecht geplant. Ein stattlicher Teil seines Lohns wird gepfändet. Er baue seine Schulden nun ab und versuche, aus diesem Loch zu kommen.

Gefängnis wäre katastrophal für Familie

Auch ist Endrit mehrfach vorbestraft. Zu einem Betrugsdelikt mochte er sich nicht äussern, zu zwei Verstössen gegen die Verkehrsregeln gab er eine Erklärung ab. In einem Fall war er mit einem Anhänger unterwegs. Der dafür nötige Lernfahrausweis war abgelaufen, was ihm nicht bewusst war. Zudem war Endrit nicht angegurtet. Es sei ein heisser Tag gewesen und er habe nicht studiert, sagte er. Ein anderes Mal flatterte ihm ein Strafbefehl ins Haus wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand. Endrit hatte Marihuana konsumiert. Es sei ein Ausrutscher gewesen, seither sei er clean, versicherte der Beschuldigte.

Es sei ihm bewusst, dass die Situation ernst sei, die Regeln einzuhalten seien, sagte Endrit, der aufrecht auf seinem Stuhl sass und der Verhandlung aufmerksam folgte. Müsste er ins Gefängnis, wäre das katastrophal für seine Familie.

Auf ersten Blick entspricht er allen Klischees

Der Beschuldigte entspreche auf den ersten Blick allen Klischees: Balkanhintergrund, schnelles Auto, Vorstrafen, Schulden, hielt der Verteidiger fest. Sein Mandant passe aber nicht in dieses Schema, sei ein ruhiger Typ, zeige Einsicht. Dass er schuldig sei, stellte der Verteidiger nicht infrage. Strittig seien aber die Höhe und die Art der Frei­heitsstrafe.

Sein Mandant habe erkannt, dass er nicht so wei­termachen könne, habe die Anklage als letzte Warnung verstanden, sagte der Verteidiger in seinem Plädoyer und stellte den Antrag auf eine bedingte Strafe von sechs Monaten. Müsste sein Mandant seine Strafe absitzen, wäre seine berufliche Zukunft sowie die Zukunft seiner Familie gefährdet.

Happiger Betrag muss beglichen werden

Ins Gefängnis wandert der Beschuldigte nicht, kam das Gericht nach rund anderthalbstündiger Beratung zum Schluss. Er wird schuldig gesprochen der groben Verletzung der Verkehrsregeln und verurteilt zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Jahren. Eine frühere bedingte Geldstrafe wird widerrufen. Der Beschuldigte wird also die Summe von 14'400 Franken zahlen müssen.

Es handle sich alles andere als um einen Bagatellfall, begründete das Gericht. Das Verschulden sei als mittelschwer einzustufen, die Strafe sei folgerichtig. Während der Probezeit, die auf fünf Jahre festgesetzt wurde, schwebe ein Damoklesschwert über ihm, gab ihm die Gerichtspräsidentin mit auf den Weg. Es liege nichts mehr drin. Wichtig sei, dass er seinen Kindern ein Vorbild sein könne.