Zum Auftakt der Jubiläumssaison von Piano District Baden, das sein zehnjähriges Bestehen feiert, zeigte der junge türkische Pianist Can Cakmur sein Talent. Ein Ohrenschmaus.
«Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.» Weshalb nur kommen einem Shakespeares Worte an diesem Abend in den Sinn? Weil der 25-jährige türkische Pianist Can Cakmur so spielt, dass man sich dauernd fragt: Wie macht er das?
Nein, damit ist keineswegs die technische Souveränität gemeint, sondern primär die unglaublich durchdachten Interpretationen, die einen Musiker zeigen, der die Werke tief ergründet. Es gibt bei Cakmurs beziehungsreichem Programm nichts Beiläufiges oder Leichtfertiges: Es hat alles seine Richtigkeit.
Der Pianist beginnt im Druckerei-Eventlokal mit Franz Schuberts Sonate a-Moll, D. 845. Und schon zeigt sich, wie er Atmosphäre erzeugt: Indem er beispielsweise gerade nicht über die Sperrigkeit gewisser Stellen hinwegspielt, sondern diese förmlich herausstanzt – und dies mit einem leuchtenden, ab und zu auch verschatteten Ton.
Die riesigen dynamischen Kontraste in Schuberts Sonatenkosmos rufen uns sodann in Erinnerung, welch ein Dramatiker Schubert eben auch war. Nicht vorwärtsstürmend wie Beethoven, sondern wie einer, der – laut einer Besucherin – «immer in Bewegung bleibt bei gleichzeitigem Stillstand».
Eine Bemerkung, die auch darauf verweist, dass die Zuhörenden bei einer Schubert-Klaviersonate Stehvermögen zeigen müssen: nicht nur im vor Spannung geradezu berstenden Kopfsatz, sondern selbst im Andante mit seiner zwischen Lachen und Weinen changierenden Emotionalität.
Wie sehr Can Cakmur nicht nur Klavier spielt, sondern auch mit dem Klavier erzählt, erweist sich bei Schubert, aber auch bei der mit heiterem Ernst gespielten Mozart-Sonate Nr. 13 B-Dur, KV 333; Franz Liszts Fantasie und Fuge über B-A-C-H, Dimitri Mitropoulos’ Passacaglia, Intermezzo und Fuge sowie Johann Sebastian Bachs Choralvorspiel «Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ» in der Bearbeitung von Ferruccio Busoni: Bach als verbindender Übervater.
Dass Franz Liszt unter den Händen von Cakmur ein rauschendes, bei allen Klangballungen aber dennoch luzides Klangerlebnis ist, verwundert nicht. Das Übersetzen von Bachs Orgelklang auf Liszts Klavier kann gar nicht anders als mit mächtiger Klangentfaltung funktionieren.
Noch getoppt wird diese durch den 1960 verstorbenen Dimitri Mitropoulos, dessen geschichtete Klänge eine gleissende Kälte entfalten. Umso eindringlicher dann das Hinübergleiten in Bach/Busonis Choralvorspiel, in dem Cakmur erneut Anschlagskultur, Klanglichkeit und Seriosität derart beeindruckend vereint, dass klar ist: Dieser 25-Jährige ist ein Ausnahmekönner.
Wie sehr er auf die Besonderheit eines besonderen Raumes und eines besonders aufmerksamen Publikums reagieren kann, belegt auch die mit 15 Minuten ungewöhnlich lange Zugabe: Bachs Chaconne aus der Partita d-Moll für Violine solo in der Bearbeitung für die linke Hand von Johannes Brahms; ein äusserst schwieriges Werk. Wieder darf man staunen. Diesmal über die Eindringlichkeit, mit der Can Cakmur in der Feuerwerk-Bearbeitung von Brahms dem originalen Bach nachspürt.